Kritik zu Fences

© Paramount Pictures

In seiner erst dritten Regiearbeit (nach »Antwone Fisher«, 2002, und »The Great Debaters«, 2007) verfilmt Oscarpreisträger Denzel Washington ein Theaterstück von August Wilson – und zeigt gleichzeitig in der Hauptrolle die ganze Bandbreite seines im Mainstreamkino viel zu selten geforderten Könnens

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Oft ist es ja mehr ein Gefühl als etwas tatsächlich Sichtbares, das einem als Kinozuschauer verrät, wenn ein Film auf einem Theaterstück beruht. Man merkt etwa, dass die Worte ein anderes Gewicht haben und nicht nur für das jeweilige Gegenüber gesprochen werden. Oder man merkt, dass die Handlungsorte anders organisiert sind, dass es weniger »Draußen« gibt und mehr in einem Raum verweilt wird, als man es von Filmen gewohnt ist. So fängt »Fences« zwar mit einer Szene im Freien an, aber trotzdem ist von den ersten Bildern an das Bewusstsein da, dass man es hier mit den speziellen Darstellungsmethoden des Theaters zu tun hat. Statt reflexhaft die mangelnde cinematografische Vision einzuklagen, könnte man auch das Gegenteil stark machen: »Fences« ist ein faszinierender Film, gerade weil er seine Theaterhaftigkeit bewahrt.

Das Stück selbst, ausgezeichnet mit Pulitzer-Preis und Tony-Award, stammt aus den 80er Jahren. Der afro-amerikanische Dramatiker August Wilson konzipierte es als Teil seines »Pittsburgh Cycle«, insgesamt zehn Theaterstücken, in denen es um die Lebensbedingungen der Schwarzen in den USA geht. »Fences« spielt im Pittsburgh der 50er Jahre. Im Zentrum steht der zu Beginn 53-jährige Troy Maxson (Denzel Washington), ein Mann, der sein Leben scheinbar in Ordnung gebracht hat. Troy ist Angestellter der städtischen Müllbeseitigungsfirma und in zweiter Ehe seit mittlerweile 18 Jahren verheiratet mit Rose (Viola Davis). Bei ihnen lebt ihr gemeinsamer Sohn Cory (Jovan Adepo), der noch zur Schule geht.

Die erste Szene spielt an Troys Zahltag und stellt die Konfliktlinien vor. So sinniert Troy mit seinem Kollegen Bono (Stephen Henderson) darüber, warum als Fahrer der Müllwagen nur Weiße arbeiten dürfen. Lyons (Russell Hornsby), Troys Sohn aus erster Ehe, schaut vorbei, um sich Geld zu leihen und wird vom Vater für seinen verantwortungslosen Lebenswandel heruntergeputzt. Auch Troys Bruder Gabriel tritt in Erscheinung, Gabriel ist aufgrund einer Kopfverletzung, die er als Soldat im Zweiten Weltkrieg erlitten hat, geistig behindert. Als Sohn Cory nach Hause kommt und von seinen Erfolgen als Footballer erzählt, offenbart sich, das Troy selbst einst ein begabter Baseball-Spieler war, der aber keine professionelle Karriere verfolgen konnte, weil in den Ligen seiner Zeit noch Segregation herrschte. Ob er Cory den Traum vom Footballer-Profi aus Fürsorge untersagt, weil er seinem Sohn ähnliche Enttäuschungen ersparen will, oder ob er Neid darauf empfindet, dass dem Jungen Wege offen stehen, wo ihm Grenzen gesetzt waren, bleibt offen. Klar wird jedoch, dass Troy kein durchweg angenehmer Zeitgenosse ist. Gegenüber seinem Arbeitskollegen gibt er sich großmäulig, seiner Frau Rose zeigt er zwar Respekt, aber wenig Wärme, seinem Bruder gegenüber hegt er Schuldgefühle, die ihn abweisend erscheinen lassen, und zu seinen beiden Söhnen ist er im Übermaß streng und maßregelnd.

Es fällt nicht ganz leicht, diesem Menschen über zwei Stunden beim häufigen Monologisieren zuzuhören, aber Denzel Washington, der die Rolle 2010 bereits auf der Bühne gespielt hat, holt aus seiner Figur einen solchen Nuancenreichtum der Motive und Haltungen heraus, dass man doch wie gebannt ist. In seiner Verkörperung wird sowohl die »große Geschichte« sichtbar, in der Troy ein Opfer ist von Rassentrennung, ungerechter Gesetzgebung und ungleichen Verdienstmöglichkeiten, und die persönliche, individuelle, in der Troy als ganz eigener Charakter mit Schwächen, Stärken, Verhärtungen und Verletzungen erscheint.

Den Status des »MVP« (most valuable player) aber erspielt sich in »Fences« Viola Davis als Ehefrau Rose. Auf dem Papier ist es eine passive Rolle, ganz aufs Reflektieren und Reagieren ausgelegt. Davis aber verleiht ihr eine mit Würde gepaarte Power, die sie zur entscheidenden Handelnden des Stücks macht.

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