Kritik zu Drei Zinnen

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2017
Original-Titel: 
Three Peaks
Filmstart in Deutschland: 
21.12.2017
V: 
L: 
94 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Kräftemessen der anderen Art. Jan Zabeil erzählt vom schwierigen Zusammenwachsen einer kleinen Patchworkfamilie

Bewertung: 3
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Damit hatte Aaron wirklich nicht gerechnet. Sein Stiefsohn Tristan hat ihn gerade »Papa« genannt. Bisher war es für den deutschen Architekten mit dem achtjährigen Jungen nicht gerade einfach. Er lebt zwar seit zwei Jahren mit Tristan und dessen Mutter Lea zusammen. Aber der Junge sehnt sich in die Zeit zurück, als Lea und sein Vater zusammen waren. Der Moment in den Dolomiten direkt unter der Dreifachspitze der Drei Zinnen könnte also eine Art Wendepunkt sein. Das hofft zumindest Aaron, der sich seit langem die größte Mühe gibt, Tristan für sich zu gewinnen. Doch so einfach ist das in dieser Patchworkfamilie nicht.

Eine Konstellation wie in »Drei Zinnen«, Jan Zabeils zweitem Spielfilm, ist ungewöhnlich. In der Regel erzählt das Kino vom Fremdeln zwischen Erwachsenen und ihren Stiefkindern entweder mit den Mitteln der Komödie oder des Melodramas. Und spätestens in dem Moment, in dem das Kind den neuen Mann im Leben seiner Mutter »Papa« nennt, wären alle Probleme beseitigt. Gegen diese Art der Vereinfachung, die das Happyend immer fest im Blick hat, setzt Jan Zabeil ein kaum zu entwirrendes Geflecht psychologischer Spielchen und Abhängigkeiten.

»Drei Zinnen« ist ein Film der Spiegelungen und Umkehrungen. Er beginnt in einem Tal an einem See und endet an einem zugefrorenen Teich hoch oben in den Dolomiten. Am Anfang ist es Sohn Tristan, der schwimmen lernt, am Ende muss sich Aaron an die Oberfläche kämpfen. Solche symbolischen Momente und Szenen sind Jan Zabeil wichtiger als eine klassische Handlung. Im Prinzip passiert nur wenig in diesem düsteren Familienporträt. Aaron (Alexander Fehling), Lea (Bérénice Bejo) und Tristan (Arian Montgomery) fahren in den Ferien gemeinsam in die Dolomiten und verbringen einige Tage in einer abgelegenen Berghütte. Man spricht über die Zukunft. Aaron ist bereit, nach Paris zu ziehen. Lea versucht, ihrem Sohn ein kleines Brüderchen oder Schwesterchen schmackhaft zu machen. Und Tristan klammert sich mehr und mehr an seine Mutter, während er Aaron auf subtile Art provoziert. All diese kleinen alltäglichen Szenen fügen sich zu einem immer erdrückenderen Bild einer äußerlich harmonischen, innerlich komplett zerrissenen Familie zusammen. Die grandiosen Cinemascopebilder, die die Enge der Hütte ebenso intensiv porträtieren wie die Erhabenheit der Landschaft, das atmosphärisch ungeheuer dichte Sounddesign und das natürliche, psychologisch extrem differenzierte Spiel von Alexander Fehling, Bérénice Bejo und Arian Montgomery greifen perfekt ineinander.

Allerdings kann selbst die formale Brillanz der Inszenierung eines nicht ausgleichen. Jan Zabeil überlädt seine Erzählung mit Überhöhungen. Es darf nicht nur bei ganz normalen familiären Konflikten bleiben. Die Situation muss ins Allegorische kippen. Aus dem hin- und hergerissenen Jungen wird dabei eine fast schon mons­tröse Figur, deren dämonische Unschuld das Drama etwas zu nah an das Horrorsujet der bösen Kinder heranrückt.

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Kommentare

Sehr tolle Kritik - Danke an Stefan Westphal

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