Kritik zu Die Vorkosterinnen

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Der erste historische Film des italienischen Regisseurs Silvio Soldini: Sieben Frauen werden rekrutiert, um des »Führers« Essen in der »Wolfsschanze« zu testen

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Achtzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind die meisten Geschichten über die Zeit des Nationalsozialismus erzählt, in unzähligen Kriegsfilmen, auch in fragwürdigen Innenansichten der Macht und Versuchen, den Alltag jener Jahre nachvollziehbar zu machen. Wer sich heute filmisch dem deutschen Faschismus nähert, braucht eine neue Perspektive, wie sie etwa Jonathan Glazer in »The Zone of Interest« gefunden hat. Einen interessanten Blickwinkel verspricht auch der neue Film des italienisch-schweizerischen Regisseurs Silvio Soldini, eine mit deutschem Ensemble realisierte italienisch-belgisch-schweizerische Koproduktion. 

Ende 1943 flüchtet die Sekretärin Rosa Sauer vor den Bombardements auf Berlin zu ihren Schwiegereltern nach Ostpreußen, die in der Nähe des »Führerhauptquartiers Wolfsschanze« leben. Ihr Mann ist als Soldat an der Ostfront eingesetzt. Und eines Morgens wird Rosa, zusammen mit sechs anderen Frauen, von der SS in den weitläufigen Komplex gebracht: Sie sollen dort als Vorkosterinnen arbeiten und die Nahrung an sich selbst auf Gift testen. Der Film von Silvio Soldini, der vor einem Vierteljahrhundert mit »Brot und Tulpen« seinen vielleicht größten Erfolg feierte, basiert auf dem italienischen Bestsellerroman »At the Wolf’s Table«, der wiederum auf den Lebenserinnerungen von Margot Wölk fußt. Historiker allerdings bestreiten den Umstand, dass des »Führers« Essen in der »Wolfsschanze« vorgekostet wurde. Nun ist Kino ja nicht die genaue Widerspiegelung der Realität – und den Rächer Aldo Raine aus »Inglourious Basterds« hat es auch nie gegeben. 

Der verhaltene Beginn des Films überzeugt durchaus, wenn etwa die jungen Frauen mit dem Laster abtransportiert werden und nicht wissen, wohin, wenn sie sich an der fein gedeckten Tafel gegenübersitzen wie bei einer Karikatur des letzten Abendmahls. Soldini und sein Kameramann Renato Berta haben die Szenen bei Tisch mit einer gewissen Künstlichkeit und Strenge in Szene gesetzt. Es dauert, bis Rosa aus der Stadt Anschluss bei den Frauen vom Lande gefunden hat und sie zu einer gewissen Solidarität gefunden haben. 

Man mag es dem Film hoch anrechnen, dass er Hitler nie selbst auftreten lässt und in Elisa Schlott eine durchaus nuancierte Hauptdarstellerin gefunden hat. Aber spätestens, wenn einem auffällt, dass die SS-Mannen mal wieder so rumschreien, wie SS-Mannen im Film so rumschreien, merkt man auch, wie sich spätestens ab der Hälfte des Films gnadenlos die Kolportage breitmacht. Eine der Frauen wird schwanger, und natürlich verliebt sich Rosa ausgerechnet in den ekligen neuen Kommandanten (Max Riemelt). Was dem Film Zeit für einige Sexszenen in rustikalem Heu gibt. Aber dass sich unter den sieben Vorkosterinnen auch eine Jüdin unter falscher Identität versteckt, gehört dann schon zu den Abgründen des Drehbuchs, an dem sage und schreibe sechs Autorinnen und Autoren mitgewirkt haben. Was immer ein schlechtes Zeichen ist.

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