Kritik zu Die Barbaren – Willkommen in der Bretagne

© Weltkino

2024
Original-Titel: 
Les barbares
Filmstart in Deutschland: 
26.06.2025
L: 
101 Min
FSK: 
Ohne Angabe

In ihrer satirischen Komödie über die Aufnahme einer syrischen Flüchtlingsfamilie in einem bretonischen Dorf übernimmt Julie Delpy auch eine der Hauptrollen

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Die Einwohner des bretonischen Kleinstädtchens Paimpont sind Feuer und Flamme für das von ihrem medienbewussten Bürgermeister Sebastian und der Grundschullehrerin Julie initiierte Projekt, eine ukrainische Flüchtlingsfamilie aufzunehmen. Ukrainer jedoch erweisen sich als so begehrt, dass für die Dörfler keine mehr übrig sind. Stattdessen sollen syrische Flüchtlinge kommen. Und schon kühlt sich die Begeisterung ab. Als die Familie – Vater, Mutter, Opa, zwei Kinder und eine Tante – aus dem Bus steigt, wird sie verwundert begutachtet. Wie jetzt? Die sprechen besser englisch als das bretonische Begrüßungskomitee? Und die Frauen tragen kein Kopftuch? Sind es etwa Roma, wie der Supermarktbesitzer, der die Familie während einer Dorfführung in seinem Geschäft begrüßt, argwöhnt?

Regisseurin Julie Delpy, bekannt für unbefangene Direktheit, macht gleich zu Beginn die Hierarchie der Beliebtheit von Flüchtlingen zum Thema. Fremdenangst beleuchtet sie aus drei Perspektiven: als »Mockumentary«, bei der ein TV-Kamerateam die Einwohner des Ortes interviewt und diese sich der gehemmten Diktion von Menschen bedienen, die sich keine Blöße geben wollen.

Unter sich aber übernehmen dieselben Menschen die Funktion des »advocatus diaboli«, indem sie, mal mehr, mal weniger offen, Vorurteile über »Araber« austauschen. Die dritte Perspektive ist die der verstörten syrischen Familie, die sich auf diese Schwingungen einen Reim zu machen versucht – und auch auf ein Plakat mit der Aufschrift »Raus mit den Barbaren«.

Delpy will in ihrer satirischen Komödie die Schwierigkeiten der Eingewöhnung in das örtliche Gemenschel zeigen und dabei Diskurse über Migration einflechten, wie sie auch in Deutschland aktuell sind. Das an ein Asterix-Comic erinnernde Panoptikum der Dörfler hat einen hübsch burlesken Drive, doch winzige Missverständnisse lassen die Stimmung kippen. Die unfreiwillige Pointe des Films ist aber, dass der erwartete Culture-Clash gerade nicht stattfindet. Schon weil die syrische Familie, bestehend aus Ärzten, Architekten, Poeten, keinerlei Angriffsfläche bietet – sozusagen eine Migranten-Idealversion darstellt –, wirken Animositäten überaus konstruiert. Abrupte Tonartwechsel wie das unvermittelte Auftauchen glatzköpfiger »Identitärer« lassen das Publikum ratlos zurück. Das gilt besonders für die Grausamkeit, von der Familie zu verlangen, ihre traumatische Vergangenheit vor der Dorfgemeinde auszubreiten.

Delpys gewohnt deftiger Humor findet sich vorrangig in den Frauenfiguren, etwa bei Sandrine Kiberlain als beschwipster, betrogener Ehefrau oder bei Delpy selbst als überspannt-aktivistischer Lehrerin, die sich permanent mit dem fremdenfeindlichen Schurken der Handlung, einem Handwerker, beharkt. Mit dabei ist, hier in der Rolle eines raubauzigen Biobauern, erneut Delpys Vater Albert. Auch weil das versöhnliche Ende bis ins Detail von Anfang an zu erahnen ist, hat die Komödie Züge eines Märchens. Doch über ihrer etwas konfusen Beschwörung von Zusammenhalt und Menschlichkeit kommt Delpy diesmal zu oft der Witz abhanden.

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