Kritik zu Der Passfälscher

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In ihrer vierten Regiearbeit hat Maggie Peren die Geschichte von Cioma Schönhaus adaptiert, der sich als Jude erfolgreich in Berlin vor den Nazis verbergen konnte

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Es ist eine geräumige großbürgerliche Berliner Wohnung. Sie wirkt, als wären ihre Bewohner nur mal kurz nach draußen gegangen und könnten jederzeit wiederkommen. In ihr lebt Cioma Schönhaus (Louis Hofmann) ganz allein. Seine Eltern und seine Großmutter wurden deportiert, 1942, mit einem der vielen Transporte in die Lager im Osten in dieser Zeit. Cioma wurde zurückgestellt, als Jude dienstverpflichtet in einem Betrieb, der für die Rüstung arbeitet. Von den ca. 170 000 Juden, die 1933 in Berlin lebten, hielten sich noch ca. 30 000 in Berlin auf, teilweise untergetaucht, viele waren vorher emigriert, die Deportationen begannen im Oktober 1941. 

Cioma holt seinen Freund Det (Jonathan Berlin) in die Wohnung, einen untergetauchten Juden, der für die Frauen auf dem Markt schneidert und dafür Lebensmittel bekommt. Denn die gibt es, mitten im Krieg, nur auf Karte. Über einen Kollegen wird Cioma an Franz Kaufmann vermittelt (auch den gab es wie Cioma wirklich), für den er im großen Stil Pässe fälscht – Cioma war zwei Semester auf einer Kunstschule. Er stellt die Pässe mit einer Leichtigkeit und ohne Vorsicht her, die selbst Det irritiert.

Leichtigkeit ist überhaupt das Schlagwort, mit dem Cioma durchs Leben driftet. Wo andere Juden nicht auffallen wollen, exponiert er sich, er hat die Situationen im Griff, sagt brav: »Heil Hitler!«, und sein blon­des Haar lässt ihn zur »Herrenrasse« zugehörig scheinen. In einem Bravourstück erscheinen Det und er in der Uniform von Marineoffizieren in einem feinen ­Tanzlokal. Mimikry, das Wort fällt oft in diesem Film, sei seine Lebensstrategie, sagt Cioma einmal zu Kaufmann. In dem Lokal trifft er auch auf Gerda (Luna Wedler), ebenfalls untergetauchte Jüdin, die seine Tarnung durchschaut, und verliebt sich in sie. Was nicht von Dauer ist, denn Cioma kann ihr wenig bieten außer gelegentlichen Ausflügen in teure Restaurants. 

Aber auch für ihn zieht sich das Netz zu. Der Kriminalbeamte Dietrich (André Jung) versiegelt die Wohnung, nicht ohne etwas mitgehen zu lassen, Frau Peters (Nina Gummich), so etwas wie die Concierge, verkauft das Interieur von Ciomas elterlicher Wohnung. Es sind eindringliche Episoden, kein offen vorgetragener Antisemitismus, aber gut inszenierte Beispiele dafür, wie große Teile der Bevölkerung von der Vertreibung und Vernichtung der Juden profitiert haben. 

Die Geschichte von Cioma Schönhaus ist schon einmal aufgegriffen worden, 2017 von Claus Räfle in dem Film »Die Unsichtbaren – Wir wollen leben«: als eine von vier Lebensgeschichten von Jüdinnen und Juden, die den Nationalsozialismus im Untergrund, in Verstecken, bei Freunden und Helfern über­lebt haben. »Die Unsichtbaren« ist ­quasi ein Dokudrama, neben den inszenierten Ge­schichten erzählen die Überlebenden von der Zeit, als sie unsichtbar bleiben mussten. Natürlich kommt auch Schönhaus selbst zu Wort, ein gut aufgelegter älterer Herr mit einem gewinnenden Lächeln. »Die Unsichtbaren« holt weiter aus, verfolgt Ciomas Geschichte von der Deportation der Eltern und Ciomas Rückstellung am Bahnhof und seine Odysse durch diverse Untermietzimmer. 

Maggie Peren, die auch das Drehbuch schrieb und nach »Napola – Elite für den Führer« (den Dennis Gansel inszenierte) zum zweiten Mal ein NS-Thema aufgriff, geht konzentrierter vor. Ihr Film ist eher als Charakterstudie angelegt, von der man sich keine allzu große Spannung erwarten darf – man weiß ja, wie Ciomas Geschichte ausging, er konnte sich mit einem gefälschten Wehrpass in die Schweiz retten. Seine Tolldreistigkeit korrespondiert auch mit einer emotionalen Kälte, die Deportation seiner Eltern und Dets Verhaftung nimmt er irgendwie hin. Natürlich ist sein Leben und Überleben ein Schelmenstück und ein Gegenstück zu den Bildern jüdischer Passivität, die wir aus dem Kino kennen (was sich in den letzten Jahren zu ändern beginnt). Man hätte sich da ein bisschen mehr Zuspitzung gewünscht – freut man sich doch über jeden, dem es gelingt, den Nazis ein Schnippchen zu schlagen.

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