Kritik zu Christopher Robin

© Walt Disney

Disney macht weiter Ernst mit der »Real«-Verfilmung seiner alten Animationshits: Die neuen Abenteuer von Winnie Puuh und Co drehen sich um den unglücklichen erwachsenen Christopher und dessen Familie

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Wenn in der Zukunft die Geschichte des britischen Post-Brexit-Films geschrieben wird, werden dort mit Sicherheit vor allem patriotische Kriegsfilme wie »Darkest Hour« und »Dunkirk« auftauchen; auch ein unscheinbarer Kinderfilm wie »Christopher Robin« aber hat sich schon jetzt seinen Platz im Brexit-Kino-Kanon verdient. Zwar handelt es sich bei dieser Neuauflage des Jugendbuchklassikers »Puuh der Bär« von A.A. Milne streng genommen um eine amerikanische Produktion des Rechteinhabers Disney; das Ergebnis aber verströmt einen überaus nostalgischen Dunst des »jolly old England«, der in seiner zuckersüßen Intensität über die ohnehin übliche Romantisierung der britischen Inseln durch Hollywood noch weit hinausgeht.

Es beginnt wie in einem Hochglanzprospekt für englischen Landlusttourismus: In den von Kameramann Matthias Koenigswieser wunderschön eingefangenen Lavendelfeldern Windsors spielt der junge Christopher Robin mit seinen (sprechenden, lebendigen) Stofftieren Puuh, Tigger, Ferkel und I-Aah. Dann aber heißt es Abschied nehmen: Christopher muss aufs Internat, er verlässt die kindliche Wunderwelt. Der ausgedehnte Vorspann des Films erzählt uns daraufhin in einer aufwendigen Montage vom Aufwachsen des fantasievollen Kindes zu einem überarbeiteten Erwachsenen (Ewan McGregor), der – nach seinem Einsatz im 2. Weltkrieg – vor lauter Karriereeifer keine Zeit mehr für Frau und Tochter hat. Erst ein Besuch seines alten Freundes Puuh (im Original gesprochen von Jim Cummings) kann dem spießigen Christopher noch helfen...

Das Drehbuch, für das sich überraschenderweise unter anderem der für seine lakonischen Indie-Filme bekannte Regisseur Alex Ross Perry verantwortlich zeigt, beruht einerseits auf dem originalen Roman von Milne – der Autor benannte die Hauptfigur nach seinem eigenen Sohn und erlangte durch das Buch weltweite Popularität. Andererseits aber ist »Christopher Robin« auch ein recht schamloser Abklatsch von Spielbergs Peter Pan-Spin-off »Hook«; nicht nur das Motiv der erwachsen gewordenen Figur eines Kinderbuchs, sondern auch ganze Einstellungen wurden übernommen.

Wo es bei »Hook« aber noch um das Bewahren der anarchischen inneren Kindlichkeit ging, ist die große Frage in diesem Film, ob Christopher seinen Job bei einem Kofferhersteller behalten wird. In einem schauderhaft reaktionären Finale beweist unser Held seine neuentdeckte Gutmütigkeit damit, dass er bezahlten Urlaub für seine Untergebenen fordert – damit sie ebenfalls Koffer kaufen müssen. Mögen die Szenen mit Puuh und seinen flauschigen Genossen noch einen gewissen knuddeligen Charme verströmen, so erweist sich die Rahmenhandlung als fantasielos und bieder – gerade junge Zuschauer dürften sich von diesen Erwachsenenbefindlichkeiten kolossal gelangweilt fühlen. Das Beschwören englischer Klischees von Marmeladentoast bis Londoner Taxi wirkt zudem wie ein allzu sehnsüchtiger Rückblick auf ein verschwundenes Land, das so ohnehin nie existiert haben dürfte.

Meinung zum Thema

Kommentare

Ich habe den Film soeben gesehen. Und er hat mich berührt. Die Filmkritik finde ich nicht zutreffend. Zugegeben, die Rahmenhandlung wirkt etwas plump, aber sie ist doch in diesem Film nicht entscheidend. Christopher Robin ist ein Film, der das Nichtstun im kindlichen Augenblick als Alternative zu unserer erwachsenen Wichtigtuerei in wundervoller Weise veranschaulicht.

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