Kritik zu Bring Her Back

© Sony Pictures

Die australischen Brüder Danny und Michael Philippou haben sich mit ihrem Debütfilm »Talk To Me« Fans erobert. In ihrem neuen Werk geht es um zwei verwaiste Halb­geschwister, die bei Sally Hawkins als Pflegemutter unterkommen

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Die Grenze zum Jenseits hat es den aus­tralischen Filmemacherbrüdern Danny und Michael Philippou offenbar angetan. In ihrem Debüt, »Talk To Me«, das vor drei Jahren für beträchtliche Furore sorgte, schildern sie die tragischen Folgen eines sinistren Rituals, das als Partyspiel die Runde macht: Wer es wagt, eine mumifizierte Hand zu ergreifen, kann für eine kurze Zeit in Kontakt mit den Toten treten, wer – womöglich aus Trauer – zu lange daran festhält, kommt in Teufels Küche.

Auch am Beginn von »Bring Her Back« steht etwas Düsteres: Auf den verrauschten Bildern eines grindigen Videos ist es kaum zu erkennen; grausame Praktiken werden durchgeführt, schreckliches Jammern dringt ans Ohr. Doch was genau und mit welchem Zweck da eigentlich getrieben wird, man bekommt es im Verlauf des Films schon noch zu sehen – auch wenn man lieber wegschauen würde. Denn wie schon in ihrem Erstling nehmen die Philippous von Metaebenen und ironischer Brechung dankenswerterweise Abstand und gehen mit heiligem Ernst an die horrende Sache. Die Trauer über das Versterben eines geliebten Menschen ist schließlich kein Pappenstiel und manchmal führt sie in den Wahnsinn.

Der erwartet, allerdings auf unvermutete Weise, auch den fast erwachsenen Andy und seine halb blinde Halbschwester Piper. Die beiden werden nach dem Unfalltod ihres Vaters vom Jugendamt in die Obhut von Laura verfrachtet, eine zuverlässige Pflegemutter, die in einem etwas abgelegenen Haus bereits mit einem Pflegling namens Oliver zu tun hat. Oliver ist mehr als nur seltsam, doch Piper kann ihn sowieso nur schemenhaft erkennen, und Andy muss insgesamt leise treten, da Laura ihn unter Vorbehalt aufgenommen hat. Laura wiederum kämpft mit dem Verlust ihrer Tochter, die erst vor kurzem ertrunken ist. So kommt es, dass viel zu lange niemand irgendetwas unternimmt, obwohl offenbar nicht wenig im Argen liegt. Und als dann endlich was passiert, ist es natürlich fast schon zu spät.

Die mit dem ersten Film selbst hoch gelegte Latte nehmen die australischen Brüder mit dem zweiten souverän, da sie ihr Hauptaugenmerk neuerlich auf die Entwicklung der Charaktere richten sowie daraus sich ergebende unterschiedliche emotionale Gemengelagen. Aus tadellosen Darbietungen heraus ragt aber jene von Sally Hawkins in der Rolle der Pflegemutter. Ihre zierliche Statur und ihre so natürlich wirkende, quirlige Freundlichkeit kommen der Schauspielerin zupass, insofern sie für ihre Figur die Unschuldsvermutung selbst dann noch erfolgreich geltend machen kann, wenn längst schon klar ist, dass alles andere eher gilt als das. Zwischendurch dreht sie auf und lässt so richtig, mit Verlaub, die Sau raus. Sie entwirft eine irrlichternde Horrorgestalt, eine übergriffige Übermutter, hysterisch, passiv-aggressiv, todtraurig, verzweifelt, verlogen, manipulativ. Sie ist die Löwin, die über Leichen geht, der Schoß des Schreckens – und sie balanciert sicher auf dem schmalen Grat zum Wahnsinn, der hier mit jenem zwischen Leben und Tod in eins fällt. Zumindest eine Weile lang.

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