Kritik zu Bitter Gold
Der chilenische Regisseur Juan Francisco Olea erzählt in seinem Neo-Western vom Überlebenskampf unter Minenarbeitern in der Wüste
Jeden Morgen warten Pacifico und seine 14-jährige Tochter Carola mit ihrem Pick-up an einer Wegkreuzung in der Wüste auf ihr Team. Nur eine Straße und Strommasten durchschneiden die endlos scheinende Weite. Keine Ansiedlung, kein Baum, nichts. Die Berge lassen das große Auto, wenn es über eine Schotterpiste fährt, ganz klein erscheinen.
Dieses Gefühl des Ausgesetztseins ist die Grundstimmung von »Bitter Gold«. Pacifico (Francisco Melo) betreibt illegal zwei Minen in der im Norden Chiles gelegenen Atacama-Wüste. Wie im Nichts scheinen sie zu liegen. In der einen schürfen sie mit ihren vier Arbeitern nach Kupfer, in der anderen suchen Vater und Tochter heimlich nach Gold. Aber eigentlich träumt Carola davon, endlich wegzugehen, ans Meer, und eine Schule zu besuchen.
Als ein Arbeiter, Humberto, den beiden nachts in die Mine folgt und sie mit seiner Pistole bedroht, entwickelt sich ein Handgemenge zwischen ihm und Pacifico: Humberto stirbt, und Pacifico wird angeschossen, so dass er nicht mehr laufen kann. Eigentlich soll Carola (Katalina Sánchez) am nächsten Tag die Arbeiter nur nach Hause schicken, aber sie, die bisher nur für das Team gekocht hat, fährt zur Mine und lässt sie weiterarbeiten.
So wird »Bitter Gold« auch zu einer Selbstbehauptung, und Carola muss sich durchsetzen gegen Machismo, Misogynie und Feigheit. Was ihr schrittweise gelingt – sie findet sogar eine neue Kupferader –, und die junge Schauspielerin Katalina Sánchez versteht es überzeugend zu zeigen, wie langsam die Kraft und das Selbstbewusstsein in Carola wachsen.
Aber die Konstellation Eine-gegen-alle – hinzu kommt noch ein anderer, mächtiger Konkurrent – wird sie nicht einfach so gewinnen können. Der chilenische Regisseur Juan Francisco Olea hat »Bitter Gold«, der übrigens in deutscher Coproduktion entstand, selbst als einen Neo-Western bezeichnet, und tatsächlich kommen einem beim Betrachten andere Neo-Western wie der argentinische »Los colonos« (2023) oder Roland Klicks Wüstenendspiel »Deadlock« (1970) in den Sinn, die ähnlich wohltuend wie »Bitter Gold« ihr Setting auf das Wesentliche reduzieren.
Vor allem wuchert »Bitter Gold« aber mit einem Pfund, das für die Western der klassischen Ära ganz unabdingbar war: die Landschaft. Selten waren Drohnenaufnahmen (die etwa im deutschen TV immer etwas Erhabenes vorgaukeln sollen) so recht am Platz wie in diesem Film: Sie heben die Unwirtlichkeit und Grenzenlosigkeit der Wüstenberge hervor. Und die Kamera von Sergio Armstrong, der u. a. für Pablo Larrain fotografierte, kontrastiert die gleißende Helle des Tages mit der milchigen Dunkelheit von Pacificos und Carolas bescheidener Behausung – den sozialen Aspekt, die Armut, lässt »Bitter Gold« nicht zu kurz kommen. Beeindruckend fotografiert sind auch die Szenen in den Stollen, die nur mit den Kopflampen der Arbeiter aufgenommen zu sein scheinen und in denen Armstrong mit Dunkelheit und Schwärze nicht spart. Ein kinematographisches Erlebnis.
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