Kritik zu Animals – Stadt Land Tier

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Greg Zglinski füllt mit Leben, was in Jörg Kalts Romanvorlage eine Trickkiste voll surrealer Irritationsmomente ist. Zehn Jahre nach dem Selbstmord des Autors kommt sein Stoff als Mindgame-Movie in die Kinos

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Wenn dir eine Katze zuflüstert, dass du verrückt bist, dann könnte da etwas dran sein. Das mag sich die Schriftstellerin Anna denken, als eine schwarze Katze zu ihr schleicht und Zweifel an ihrem Verstand äußert. Birgit Minichmayr spielt Anna, eine Kinderbuchautorin, die zur Abwechslung einen Roman für Erwachsene schreiben will und dafür einen Sommer Auszeit auf einer Berghütte in der Schweiz plant. Als sie zusammen mit ihrem Mann Nick (Philipp Hochmair) im Cabrio über kurvige Landstraßen Richtung Refu­gium düst, steht den Plänen jedoch plötzlich ein Schaf im Weg. Es kommt zum Zusammenstoß und Anna landet mit einer Kopfverletzung im Krankenhaus. Mit Verband geht es auf die Hütte – wo wenig später die sprechende Katze auftaucht.

Ob Cabrio, Schaf oder Kopf: Nichts bleibt heil, alles wird dekonstruiert. Allem voran droht die Beziehung von Nick und Anna auseinanderzubrechen. »Gehst du fremd? Wann haben wir das letzte Mal zusammen geschlafen?«, fragt Anna ganz am Anfang des Films ihr Spiegelbild. Nick, ein erfolgreicher Koch, hängt unterdessen mit seiner Affäre am Handy.

Und es wird noch komplizierter: Der polnische Filmemacher Greg Zglinski, der sein Handwerk bei Krzysztof Kieślowski lernte, löst ein einfaches Eifersuchtsdrama im Mahlstrom der gestörten Realitätswahrnehmung seiner Protagonistin auf. Von Anfang an inszeniert er die Geschichte über eine kriselnde Beziehung als Verwirrspiel, indem er spielerisch Lücken lässt und die Logik von Zeit und Raum genüsslich über den Haufen wirft. Die Nachbarin (und gleichzeitig Nicks Geliebte) stürzt aus dem dritten Stock des Wiener Wohnhauses. Doch als die Kamera nach unten auf die Straße schwenkt, fehlt von einer verunglückten Frau jede Spur. Mit Schnitten oder Schwenks, die mal einen Perspektivenwechsel, mal einen Zeitbruch mit sich bringen, verlaufen sich die Sequenzen in wunderbaren Irritationsmomenten. Der Zuschauer wird gemeinsam mit den Filmfiguren immer wieder vor den Kopf gestoßen – und gut unterhalten.

Es ist, als hätte nicht nur Anna, sondern der ganze Film eine Gehirnerschütterung erlitten. Mindgame-Movies, die um die Jahrtausendwende im US-Kino Konjunktur hatten, kommen einem in den Sinn. Wie in David Lynchs »Mullholland Drive« aus dem Jahr 2001 bringt ein Autounfall alles ins Wanken. Zwei Frauen, deren Identitäten sich ineinander spiegeln, versinken darin in der Albtraumfabrik Hollywood. Und auch in »Animals – Stadt Land Tier« geistert mit Micha (Mona Petri) bald eine zweite Frau mit verbundenem Kopf umher.

Wie Lynchs Meisterwerk stammt die Vorlage für Zglinskis Film aus den Nullerjahren. Ihr Autor Jörg Kalt nahm sich 2007 in Wien das Leben und ließ das Projekt unvollendet. Als Mitglied der Zürcher Filmförderung wurde Zglinski auf den Stoff aufmerksam und bekam ihn nicht mehr aus dem Kopf. Seine Umsetzung ist unterhaltsam, wenn auch mit seiner reichen Symbolik und den vielen Irritationsmomenten fast etwas überfrachtet geraten.

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