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Jan Henrik Stahlberg belebt seine streitbare Figur aus dem Jahr 2004 wieder und überwältigt das Publikum mit der missionarischen Mission eines Mannes im Kampf gegen den Neoliberalismus, nah an der Realität, aber Satire

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Die Bewegung geht von Elstertrebnitz aus, einer Gemeinde in Sachsen. Hier startet der aus einem Wachkoma erlöste Mux (Jan Henrik Stahlberg) seine Mission, mit dem von ihm entwickelten Muxismus den Kampf aufzunehmen gegen Neoliberalismus, Google, Amazon, Steuerhinterzieher und für eine satte Vermögenssteuer, eine gerechte Gesellschaft sowie die Viertagewoche. Muxismus versteht Mux als Reformation, in starken Momenten als Revolution. Stahlbergs »Muxmäuschenstillˣ« knüpft nahtlos an »Muxmäuschenstill« aus dem Jahr 2004 an. Das Werk endete mit einem (scheinbar tödlichen) Autounfall. Doch Mux ist nach einer Reha wieder höchst ­lebendig und verfolgt ehrgeizige Ziele. 

Stahlberg (Buch, Regie, Titelfigur) erklärt zu Beginn: »Disclaimer: Dies ist eine Satire.« Eigentlich unnötig, aber vieles erscheint wie abgefilmtes wahres Leben, zum Beispiel eine Episode in einem überfüllten Zug der Deutschen Bahn. Mux und ­frustrierte Mitfahrer stürmen die 1. Klasse und begegnen Widerstand von Besserreisenden auf plakative Weise. Einer von ihnen trägt alsbald ein Schild mit der Aufschrift: »Ich bin Horst, und ich bin asozial.«

Wie Sacha Baron Cohens Kinofigur Borat zieht Mux das Publikum in eine Welt hinein, in der Fiktion und Realität verschmelzen. Karsten (Tilman Vellguth) verkörpert so etwas wie den Knappen dieses gegen den Kapitalismus wie gegen Windmühlenflügel kämpfenden Don Quijote. Karsten dokumentiert das alles mit seinem Smartphone, vermittelt seinem Meister aber auch, dass der inzwischen ein Fremder im eigenen Land ist, erst recht ein Fremder in der digitalen Welt. In Szenen von effektvoll inszenierter Komik erfährt Mux, dass seiner Umwelt das Manifest des Muxismus unnötig kompliziert erscheint. Wenig zeitgemäß findet Vera (Bettina Hoppe) seine Weigerung, die Message mit Marketingtricks ans Volk zu bringen. Mux ist ein Mann des Megafons.

Stahlbergs Politmissionar wandert von Tür zu Tür, wendet sich aber auch mit kalkulierter Zielgruppenbeleidigung in Elstertrebnitz als Repräsentant des empathielosen Mittelstands an ein sozial schwaches Publikum: »Wir verabscheuen euch, zutiefst.« Er will das »Feuer der Revolution nach Berlin tragen«, Frankreich, Italien und Griechenland erobern. 

Stahlberg überwältigt die Kinozuschauer mit einem wilden Stil- und Themenmix, mit Stimme aus dem Off, dokumentarischem Material und Kinder-Agitproptheater. Auch eine Lovestory baut er in sein Werk ein. Die Satire funktioniert am besten im »Borat«-Stil, mit genussvoll ausgespielten provokativen Pointen. Sie präsentiert sich aber auch immer wieder im Gewand eines zähen Leitartikels von ganz links außen. Seine künstlerischen Grenzen testet »Muxmäuschenstillˣ« mit Szenen aus, in denen Erpressung, Entführung und öffentlicher Pranger als akzeptable Mittel des politischen Aktivismus geadelt werden. Hier dürfte nicht jeder in Stahlbergs Glaubensbekenntnis einstimmen: »In jedem von uns steckt ein Mux.«

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