Streaming-Tipp: »Borat: Anschluss Moviefilm«

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Wie lange noch?

Er ist wieder da – und das Timing könnte nicht besser sein. In das von Trump, Covid und Verschwörungstheoretikern geplagte Amerika platzt erneut Borat Sagdiyev, Kasachstans rasender Reporter beziehungsweise »viertbester Journalist«. Erneut hält der britische Komiker Sacha Baron Cohen in seiner Paraderolle als ignoranter, aber irgendwie liebenswerter Kasache den Vereinigten Staaten den Spiegel vor. Mehr noch als in dem zum modernen Komödienklassiker avancierten Vorgänger steckt in dem neuen Auftritt – im typischen Borat-Slang »Subsequent Moviefilm« betitelt – eine ganze Menge Wut. Diese äußert sich, wie zu erwarten, in Holzhammergags jenseits der Geschmacksgrenze und zielt auf die erzreaktionäre Rechte des Landes, die mit Donald Trumps indirekter und direkter Unterstützung seit Borats letztem Besuch weiter erstarkt ist.

Die beste Neuerung im Vergleich zum Vorgänger ist der neue Sidekick. Statt des grummeligen Produzenten Azamat ist diesmal Borats 15-jährige Tochter Tutar mit an Bord, gespielt von der 24-jährigen bulgarischen Schauspielerin Maria Bakalova. In Bakalova hat Cohen seine Meisterin in Sachen schamloser Improvisationskomik gefunden: Die Interaktionen mit arglosen Amerikanern funktionieren diesmal fast noch besser, weil Bakalovas unschuldiges Puppengesicht die Uneingeweihten in falscher Sicherheit wiegt. Absoluter Höhepunkt des Films ist eine Vater-Tochter-Tanzszene auf einem piekfeinen Südstaatenball, die den anwesenden Reichen und Schönen die Gesichtszüge entgleiten lässt. Einen Großteil des Reizes macht dabei wieder die ständige Ungewissheit darüber aus, wie Cohen und sein Team die »echten Menschen« in ihrem Film zum Mitmachen bewegt haben. Andererseits liegt auch dort, nicht in den bewusst überzeichneten Stereotypen, das ethische Dilemma dieser Komödie. Die Holocaustüberlebende Judith Evans, die Borat im Film mit seinen antisemitischen Klischees konfrontiert – Cohen ist selbst jüdisch –, wurde laut ihrer Tochter etwa unter Vorspiegelung falscher Tatsachen vor die Kamera gelockt. Evans verstarb vor Veröffentlichung des Films. Man kann das kritisch sehen, gleichzeitig ist die Begegnung zwischen Borat und Evans auch einer der unerwartet wärmsten, positivsten Momente des Films. Wenn Evans ihrem vermeintlich judenhassenden Gegenüber Suppe serviert und respektvoll begegnet, zeigt das, dass Cohens antifaschistischer Spott auf eben diesem Humanismus gründet.

Die Rahmenhandlung des »Moviefilms« könnte aktueller nicht sein: Borat, in Ungnade gefallen, soll US-Vize-Präsident Mike Pence einen Affen zum Geschenk machen, damit Kasachstan zum favorisierten Partner der USA avanciert. Kaum ist er in Amerika angekommen, bricht die Pandemie aus und Borat muss während des Lockdowns bei zwei QA non-Verschwörungstheoretikern unterkommen. Das große Finale mit Trump-Anwalt Rudy Giuliani brachte es weltweit in die Schlagzeilen. Diese Art von Aktualität könnte zwar eine deutlich kürzere »Halbwertszeit« bedeuten, macht ihn aber für den Moment zu einer gelungenen, bitterbösen Karikatur des alltäglichen Irrsinns.

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