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Der Dokumentarfilm zeigt den US-amerikanischen Menschenrechtsanwalt Marty Rosenbluth bei seinem Einsatz für Häftlinge in einem Abschiebegefängnis
Südöstlich der Kleinstadt Lumpkin, tief in den Wäldern des US-Staates Georgia, liegt das im Auftrag des United States Immigration and Customs Enforcement (ICE) privat betriebene Stewart Detention Center. Fast 2000 Insassen warten in dem zweitgrößten Abschiebegefängnis der USA auf ihren Prozess, die meisten ohne juristischen Beistand. Bürgerrechtsorganisationen wie die American Civil Liberties Union (ACLU) oder das Detention Watch Network beklagten schon vor Jahren, dass das ICE sich unfähig gezeigt habe, in Anstalten wie dieser die Einhaltung der grundlegenden Menschenrechte zu garantieren.
Dorthin, »one hour from the middle of nowhere«, so der Anwalt Marty Rosenbluth, habe man den gigantischen Hochsicherheitstrakt gebaut, um den Kontakt der Häftlinge zu ihren Familien und den Zugang zu rechtlichem Beistand zu erschweren. Rosenbluth ist der einzige Anwalt im weiten Umkreis, der sich der Insassen annimmt. Schon vor Trumps erster Amtszeit hatte er sich für die Rechte von Einwanderern in den USA eingesetzt. Nach Trumps Wahlsieg zog er 2017 nach Lumpkin, um dort Inhaftierten rechtlichen Beistand zu leisten.
Die juristische Tätigkeit Rosenbluths und seiner Mitarbeiterin gleicht oft frustrierender Sisyphusarbeit, etwa um Verfahrensfehler nachzuweisen, in einem Fall die Verletzung von Vertraulichkeit bei den Vernehmungen oder in einem anderen bei dem Versuch, die Abschiebung eines Familienvaters mit Verweis auf gravierende gesundheitliche Probleme seines Sohnes zu verhindern. Es gebe auch Erfolgserlebnisse, aber: »We can't save them all.« Manchmal, so der Eindruck des Anwalts, hänge das Ergebnis von den Launen des Richters ab.
In einem zweiten Erzählstrang begleitet der Film die Familie eines inhaftierten Mandanten in ihrem Alltag. Nur mit Mühe kann Maria, die Ehefrau, ihre vier Kinder durchbringen und muss obendrein damit rechnen, das Haus zu verlieren. Am Ende ist klar, dass sie für die Zukunft der Kinder, die qua Geburt die amerikanische Staatsbürgerschaft besitzen, allein sorgen muss, ihr Mann wird unwiderruflich abgeschoben.
Die Filmemacher Ole Elfenkaemper und Kathrin Seward betten die Geschichte um Marty Rosenbluth und seine Arbeit immer wieder in ruhige Landschaftsbilder, die im Kontrast zu dem hell erleuchteten Stacheldrahtmonster des nächtlichen Detention Center stehen. Bildern von der Verlegung mit Ketten gefesselter Häftlinge in ein Abschiebeflugzeug folgen solche von Geiern, die auf einem dürren Baum sitzen. Eine Metapher für das ungewisse Schicksal, das die Männer am Bestimmungsort erwartet?
Elfenkaemper und Seward stellten ihren Film, der auf einen Offkommentar verzichtet und von dem man sich mehr Informationen zur Abschiebeindustrie der USA gewünscht hätte, im Jahr 2023 fertig. Berichten zufolge erging vom neuen US-Präsidenten zu Beginn seiner zweiten Amtszeit die Anweisung an das ICE, die Festnahmen von Immigranten ohne Aufenthaltsstatus auf bis zu 1500 am Tag zu steigern. Dass sich die Situation zu einer regelrechten Hetzjagd auf diese Menschen entwickeln würde, konnte sich wohl selbst ein illusionsloser Jurist wie Rosenbluth nicht vorstellen.