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Mit der Realverfilmung des Animationsklassikers bringt Disney eine mutige Heldin ohne Wespentaille und Kulleraugen auf die Leinwand – und scheitert am Ende doch wieder an Rollenklischees
Gleich zu Beginn sagt der Vater: »Es ist an dir, Ehre für die Familie zu bringen.« Eine Aufforderung, die ermutigt, so sollte man meinen. Doch gleich schiebt er nach: »durch deine Hochzeit.« Und genau dieser Satz ist gleich zweifach von bitterer Ironie, auch wenn die Geschichte vor etwa 2000 Jahren spielt: Tatsächlich wird die Tochter Ehre über die Familie bringen, allerdings erst, als sie zunächst als Junge verkleidet das ganze Kaiserreich China rettet, um dann am Ende mit einer Liebesheirat belohnt zu werden.
Disney hat seinen gleichnamigen Animationsfilm von 1998 nun als actionreichen Realfilm und inhaltlich modifiziert neu aufgelegt. Die Vorlage ist die gleiche: Ein chinesisches Volksmärchen, nach dem ein Mädchen in Jungenkleidern China vor den Invasoren aus dem Norden rettet.
Mulan (Yifei Liu) ist dieses Mädchen, rebellisch, ungestüm. Bei einer wilden Verfolgungsjagd mit anderen Kindern geht schon mal ein steinerner Phönix zu Bruch, das Treffen bei der Heiratsvermittlerin gerät zum Desaster. Das ist sehr rasant, witzig und erinnert in Ansätzen an eine unangepasste Pippi Langstrumpf – zumal auch Mulan über übermenschliche Kräfte verfügt, die sie später zu einer unbesiegbaren Kriegerin machen werden. Doch noch größer als ihre Unangepasstheit ist die Liebe zu ihrer Familie. Die ist es dann auch, die sie dazu treibt, anstatt ihres Vaters in den Krieg zu ziehen, selbstverständlich als Junge verkleidet und zunächst unbemerkt von den Eltern. Der Vater, selbst ein Kriegsveteran, würde die Kämpfe wohl nicht überleben.
Schnell gelingt es Mulan dank ihres Mutes, ihrer unbändigen Kraft und übermenschlichen Geschicks den Respekt der ganzen Truppe zu gewinnen. Dabei hat die Maskerade durchaus komödiantisches Potenzial, und die Angst vor Entdeckung schafft immer wieder spannende und witzige Situationen. Auch lässt die Realverfilmung nicht aus, dass eben auch Mädchen stinken, wenn sie sich über Wochen (aus Angst vor Entdeckung) nicht waschen. Ein Unding für eine respektable junge Dame. Dass der Anführer Mulan alias Jun Hua seine Tochter als Belohnung verspricht, kann da noch als ironisches Detail durchgehen.
Doch zugleich verfällt Regisseurin Niki Caro in alte Disney-Klischees. Zwar kämpft Mulan eigentlich gegen einen Anführer der Eindringlinge aus dem Norden, ihm jedoch steht eine Hexe zur Seite, die sich in einen Greifvogel verwandeln kann. Ganz im Disney-Märchenklischee ist es also wieder einmal eine Widersacherin, die die Heldin besiegen muss. Weibliche Rivalität statt Solidarität. Doch damit nicht genug. Zwar entschied sich Disney, auf die Figur des Hauptmanns Li Shang zu verzichten, der in der animierten Version als Vorgesetzter Mulans ein Verhältnis mit ihr einging. Doch bekommt Mulan für ihr Heldentum am Ende wieder Orden und Bräutigam. In der Disney-Welt scheint das auch im 21. Jahrhundert immer noch der Lohn für eine Frau, die ein ganzes Land rettet.