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Regisseurin Claire Denis, bekannt geworden durch ihre Filme über postkoloniale Identitäten, lässt in ihrer ersten Komödie Juliette Binoche auf die Suche nach einer erfüllenden Liebe gehen

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Dieser Film wurde von einer Frau gedreht und handelt von einer Frau, der Malerin Isabelle. Mit Isabelles Freundin gibt es eine weitere kleine Frauenrolle, und die beiden sprechen miteinander: über Männer. Beim Bechdel-Test fällt dieser Film also trotz weiblicher Schlüsselpositionen durch. Tatsächlich geht es hier nur um Männer, um die Liebhaber von Isabelle, die ihr Leben scheinbar der Suche nach einer erfüllenden Liebe widmet. Doch Claire Denis, trendresistent wie eh und je, betrachtet in ihrer ersten Komödie Isabelles Mission aus einer erfrischend jammerfreien Perspektive.

Es fängt damit an, dass es in Isabelles Welt keinerlei beruflichen Stress – abgesehen von der Frage, ob ihre Galeristin mal mit Isabelles Ex geschlafen hat – gibt. Auch gibt es kaum Szenen, in denen Isabelle sich tatsächlich der Malerei widmet. Ebenso königlich ignoriert wird ihr Muttersein; ihre kleine Tochter, die, so heißt es gelegentlich, bei ihr lebt, taucht ein einziges Mal kurz auf. An Männern selbst herrscht kein Mangel; sie haben ungefähr die Funktion von Bussen, die früher oder später an der Haltestelle ankommen, und in die man ein- und aussteigt. Doch der verheiratete Bankier, der sie begehrt und zugleich auf Abstand hält, der Schauspieler, der sich gerne reden hört, der zuverlässige Exmann, der sie immer noch liebt, eine Zufallsbekanntschaft vom Lande, ein netter Galerist – keiner ist der Richtige.

Der provozierende Reiz dieses Männerreigens besteht vielleicht darin, dass Isabelles Partnersuche keinerlei buchhalterische und strategische Unterströmungen aufweist. Es geht um die Liebe und nicht um eine Lebensversicherung. Sie ist nicht berechnend, hat keine Hintergedanken, sowenig wie der Film, und deshalb gibt es auch kein konventionelles Happy End. Was zählt, ist allerdings der Status: Isabelle lässt sich eine bis dahin glückliche Affäre mit einem Mann, der nicht aus ihrem Milieu stammt, durch despektierliche Bemerkungen eines Freundes vermiesen.

Mit dieser aristokratisch anmutenden Freiheit, sich aller bourgeois-praktischen Sorgen ledig, dem eigenen Begehren mit all seinen Wirren zu widmen, steht der Film in einer langen literarischen Tradition. Den Anstoß für den Film gab Roland Barthes Buch »Fragmente einer Sprache der Liebe«. Eine Adaption wurde schließlich fallen gelassen, doch Barthes' Ideen sind in dieser Komödie, die in ihrem Kreisen um die immergleichen Fragen auch einem filmischen Essay ähnelt, hörbar.

Bei Denis' Versuch, Barthes' Thesen auf den Alltag herunterzubrechen, wirkt Isabelles Beschäftigung mit verflossenen, aktuellen und potentiellen Liebhabern und den damit einhergehenden Gefühlszuständen allerdings auch wie ein anstrengendes, aber unverzichtbares Hobby: wie der Versuch der Veranschaulichung eines weiblichen Wunschtraums nach Leichtigkeit und Autonomie, der älter ist als die Sehnsucht nach einem versorgenden Märchenprinzen – und der in der Freiheit gipfelt, selbst zu bestimmen, welcher Mann, und wie lange, einen zum Weinen bringen darf.

Juliette Binoche ist denn auch die einzige, die dieses Ideal ohne Kitsch verkörpern kann: eine ultraweibliche »femme« Ü-50 mit kniehohen Stiefeln und Dekolleté, doch weder ein Weibchen noch jene Sorte »starker Frau«, die ihre Emanzipiertheit wie Leuchtreklame vor sich herträgt. Sie ist ebenso anziehend wie anstrengend, lässt ohne Umschweife jede Gefühlsregung heraus, und ist in ihrem Ja-nein-vielleicht auch ganz schön enervierend. Dies ist kein Film für Männer.

Allgemein wird, gerade auch von Männern, viel über Gefühle geredet. Dieses Sprechen über die Gezeiten der Liebe kulminiert in Isabelles Konsultation eines Hellsehers, dessen zen-haftem Rat – einfach weitermachen – Gérard Depardieu Gewicht verleiht. Mit der unlarmoyanten Betrachtung amouröser Unzufriedenheiten ist Denis' Roadmovie der Gefühle auch ein verspieltes Plädoyer für das unbezähmbare Herzklopfen in einer von Kalkül geprägten Welt.    

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