Kritik zu The Big Sick

© Weltkino

2017
Original-Titel: 
The Big Sick
Filmstart in Deutschland: 
16.11.2017
L: 
119 Min
FSK: 
6

Kumail Nanjiani, amerikanischer Komiker mit pakistanischem Hintergrund, spielt die Hauptrolle in der Verfilmung seiner eigenen Beziehungsgeschichte, die als romantische Komödie angelegt ist und realistisch von der Überwindbarkeit interkultureller Differenzen erzählt

Bewertung: 4
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Ja, »The Big Sick« ist eine romantische Komödie. Eine dieser »Boy meets Girl«-Geschichten, die ganz gut reingehen, unterhalten und einen am Ende einigermaßen glückselig entlassen. Klingt nach schal schmeckendem Popcorn-Kino, könnte man mit böser Zunge grummeln. Tut es sicherlich, doch auch in diesem Genre gibt es ja immer mal wieder einen Grund, »aber« zu sagen. Ja, »The Big Sick« ist eine romantische Komödie, aber sie ist witzig, traurig, bescheiden, klug und in vielen Momenten sehr wahrhaftig. Gemeinsam mit seiner Frau Emily Gordon hat der Komiker und Hauptdarsteller Kumail Nanjiani ein Drehbuch über ihre eigene Geschichte geschrieben, aus dem Regisseur Michael Showalter einen angenehm unaufgeregten Film gemacht hat.

Da sind die ersten Blicke zwischen Kumail (Kumail Nanjiani) und der Psychologiestudentin Emily (Zoe Kazan), der Komiker auf der Bühne, sie im Publikum. Der erste gemeinsame Drink an der Bar, ironisches Gemauschel und Geflirte. Dann sie bei ihm, er, der nerdige Filmfan mit »Akte X«-Handyklingelton, schlägt vor, »Die Nacht der Lebenden Toten« anzuschauen; zum Abspann des Films ist der One-Night-Stand, der natürlich keiner bleiben wird, gerade vorbei. »Das erfüllt alle Klischees«, brummt Kumails Bruder in Bezug auf die Liebe des Pakistani mit der Amerikanerin. Ja, aber es fühlt sich nicht so an, da »The Big Sick« ohne künstlich aufgeblasene Höhepunkte völlig unprätentiös dahinfließt und sich Zeit für seine Figuren lässt. »Ich muss kacken«, flüstert Emily einmal verschämt, weil sie sich nicht traut, bei ihm zu gehen. Er schmunzelt, bringt sie heim und es ist völlig klar, dass die beiden zueinander gehören.

Natürlich stehen die kulturellen Unterschiede im Weg, denn, so erklärt es Kumail zu Beginn des Films: In Pakistan spielt man Kricket anstatt Baseball, betet fünfmal am Tag und wird zwangsverheiratet. Immer wenn der zunächst erfolglose Komiker, der sich als Uber-Fahrer über Wasser hält und so gar nicht traditionell lebt, zu seiner Familie kommt, schneit eine von seiner Mutter bestellte Anwerberin »zufällig« herein. Dass er keine nicht-pakistanische Frau mit nach Hause bringen darf, bewegt Emily schließlich zur Trennung. Als sie Monate später krank auf der Intensivstation landet und ins Koma fällt, entwickelt sich »The Big Sick« noch mehr zu einer Charakterstudie und bekommt einen ganz neuen Drive. Da steht dann plötzlich die Geschichte der eigentlich unmöglichen Begegnung zwischen Kumail und Emilys Eltern Beth (Holly Hunter) und Terry (Ray Romano) im Zentrum. Behutsam und mit viel Einfühlungsvermögen fängt die Kamera Blicke, Andeutungen und lange Gespräche zwischen dem ungleichen Trio ein und langsam schälen sich komplexe Menschen mit eigenen Macken und Problemen aus einer anfänglichen Schutzhaltung, entwickeln sich Freundschaften.

Letztlich kommt, was kommen muss: Nach dem obligatorischen retardierenden Moment wartet ein süßes Happy End. Und doch verliert »The Big Sick« nur selten an Bodenhaftung und gibt seine Figuren nicht der Klischeekiste preis. Der Film trifft einen geerdeten, tragikomischen Grundton und meidet die Standard-Spielarten selbstgenügsamer romantischer Komödien. Es ist ein bisschen wie bei einem guten Popsong: Das hat es alles schon mal irgendwie gegeben, aber in »The Big Sick« wird es originell variiert. Ganz anders, aber ebenfalls sehr sympathisch, gelang das etwa auch bei »Crazy, Stupid, Love« mit einem unter Anleitung von Ryan Gosling zum Womanizer mutierenden Steve Carell oder beim vor Anarchohumor strotzenden »Beim ersten Mal« von Judd Apatow, der übrigens als Produzent bei »The Big Sick« die Finger im Spiel hatte.

In Sundance wurde der Film gefeiert, viele Kritiker handeln ihn bereits jetzt als Oscaranwärter. In jedem Fall ist diese »wahre« Liebesgeschichte zwischen dem »Langweiler« und seiner »Beetlejuice«, wie die beiden in ihrer Jugend genannt wurden, eine schöne.

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Wieso müssen diese neuen Filme immer im Dunkelmodus ausgestrahlt werden? Trend????

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