Kritik zu What Our Fathers Did: A Nazi Legacy

Trailer englisch

2015
Original-Titel: 
What Our Fathers Did: A Nazi Legacy
Filmstart in Deutschland: 
14.09.2017
L: 
96 Min
FSK: 
Ohne Angabe

In der Dokumentation von David Evans und Philippe Sands erinnern sich zwei Ende der Dreißiger geborene Männer aus sehr unterschiedlicher Perspektive an ihre Väter, beide Funktionäre des Naziregimes im besetzten Osten

Bewertung: 3
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Das Foto trägt er immer bei sich – das Bild seines toten Vaters, nach der Hinrichtung durch den Strang in Nürnberg. »Mein Vater hat es wirklich verdient, gehängt zu werden«, sagt Niklas Frank in diesem Film. Der Vater, das war Hans Frank, der den Spitznamen »Der Schlächter von Polen« trug, Nazi der ersten Stunde, zuerst Hitlers Anwalt, später dann Gouverneur des besetzten Polen – und verantwortlich für den Tod von vier Millionen Juden. Niklas Frank hat ein abgeklärt wirkendes Verhältnis zu seinem eher unnahbaren Vater, und er erinnert sich an einen einzigen liebevollen Moment: als der Vater ihm einmal einen Klecks Rasierseife auf die Nase tupfte.

Einer von Hans Franks Stellvertretern war Otto von Wächter, SS-Gruppenführer, Gouverneur von Krakau, verantwortlich für die Polizei. Otto von Wächter tauchte nach der Befreiung mit Hilfe der katholischen Kirche unter und starb 1949 eines natürlichen Todes. Sein Sohn Horst ist mit dem etwa gleich alten Niklas Frank befreundet – beide sind Ende der Dreißiger geboren –, hat aber eine ganz andere Haltung zu seinem Vater. Das merkt man schon, als er zu Beginn des Films in einem alten Fotoalbum blättert, zusammen mit Philippe Sands, einem Anwalt, der die beiden älteren Herren vor die Kamera gebracht hat. Sands ist Jude, mit Ausnahme des Großvaters ist seine Familie in Polen und der Ukraine von den Nazis vernichtet worden.
Horst von Wächter sagt einmal, das Kriegsende habe für ihn einen Zusammenbruch bedeutet, den Verlust der Normalität. Und er weigert sich zu glauben, dass sein Vater selbst Morde angeordnet hat; er glaubt, dass er Sand ins Getriebe streuen wollte, dass er nur Teil eines »Systems« war. Was natürlich die Verdrängungsformel der gesamten Nachkriegszeit war. Dabei ist Horst von Wächter kein Holocaust-Leugner oder Antisemit – er weiß, was passiert ist, war jahrzehntelang Mitarbeiter des jüdischen Künstlers Friedensreich Hundertwasser.

»What Our Fathers Did« ist auch die ­Geschichte einer Reise nach Polen und in die Ukraine. Sands nimmt die beiden Nazisöhne mit zum Wawelschloss in Krakau, wo die Verwaltung der deutschen Besatzung war; sie besuchen Lemberg und Zolkiew (Schoschka), wo ein Teil von Sandsʼ Familie ermordet wurde, und die Zelle, in der Hans Frank wahrscheinlich gesessen hat. Mehr und mehr bekommt der Film eine edukative Note: Sands und Frank versuchen, Horst von Wächter von der Schuld seines Vaters zu überzeugen. Die Hilflosigkeit seiner Ausflüchte ist fast mitleiderregend, man merkt, wie er sich seinen Vater zusammenreimt, wie er sich dem Mann, den er nicht wirklich kannte, verbunden fühlt, und auch: wie er vorgeführt wird. Gegen Emotionen zu argumentieren, ist aussichtslos. Solche Diskussionen der Nachgeborenen über die Nazitäter hat man in letzter Zeit oft gesehen, etwa in Malte Ludins »Zwei oder drei Dinge, die ich von ihm weiß«. Wenn Niklas Frank allerdings eine Rede seines Vaters nachdeklamiert und seinen Freund fragt, was er noch tun müsse, um dessen Einstellung zu ändern, dann wirkt es überinszeniert.

Meinung zum Thema

Kommentare

Wie kann der verzweifelte, wenn auch hilflose Versuch von Niklas Frank, durch Nachdeklamieren des Nazi-Sprechs eine Einsicht zu erreichen, als „Inszenierung“ missverstanden werden? Als Psychoanalytiker kann ich diesen Versuch verstehen, der gleichwohl eine massive Spaltung und Verleugnung nicht durchbrechen kann. Der Begriff „überinszeniert“ geht an der Sache vollkommen vorbei. Er ist töricht.

Herzlichen Dank für diesen Kommentar! Der Film ist eine beeindruckende psychologische Spurensuche durch die Untiefen der persönlichen Einnerungspolitik zweier NS-Verbrecher-Söhne. Gar nicht pädagogisierend, und wirklich sehr zu empfehlen!

Sehr geehrter Dr. Eckhar...
ich habe zu Ihrem Kommentar zwei Fragen. Einmal zu inszenieren als Handlung. Zu inszenieren ist legitim und für einen Film nötig, oder? Zu überinszenieren ist etwas, das die Wirkung eines Films verringert, oder? Ich sehe in der Frage, wo überinszenieren anfängt, eine Geschmacksfrage, und möchte die Rezension daher in Schutz nehmen, denn wenn es keine Frage von richtig oder falsch oder von töricht oder klug ist, dann kann die Rezension recht haben und Sie ebenfalls.
Zum zweiten: Eine Wissenschaftlerin hat sich mit Franks öffentlicher Auseinandersetzung mit seinem Vater beschäftigt in ihrer Arbeit "Deutsche Scham. Gender. Medien. „Täterkinder“: Eine Analyse der Auseinandersetzungen von Niklas Frank, Beate Niemann und Malte Ludin, Berlin 2013." Ich teile die Beobachtung dieser Arbeit, dass eine öffentliche Auseinandersetzung die Position der Kindes des Verbrechers mehrfach überlagert und private und gesellschaftlicher Bewältigung vermischt.

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