Kritik zu Mapplethorpe: Look at the Pictures

© Kool/Filmagentinnen

Fenton Bailey und Randy Barbato erarbeiten mit ihrem differenzierten Porträt von Robert Mapplethorpe ein weiteres Stück alternativer Kulturgeschichte der USA

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»Look at the pictures«, »Seht euch die Bilder an«, brüllt US-Senator Jesse Helms in den Nachrichtenbildern, mit denen Fenton Bailey und Randy Barbato ihre Dokumentation über den Fotografen Robert Mapplethorpe eröffnen. Für Politiker wie Helms reicht tatsächlich ein einziger Blick auf Fotos wie das Selbstporträt, auf dem der Griff einer Bullenpeitsche in Mapplethorpes Anus steckt, um nach Zensur zu schreien. Was nicht in ihr enges Weltbild passt, darf es einfach nicht geben. Also klagen sich diese Fotografien in den Augen aufgebrachter Konservativer und selbsternannter Sittenwächter praktisch selbst an. Folgt man allerdings Helms' Aufforderung und blickt etwas länger und genauer auf diese Bilder, dann wenden sie sich umgehend gegen den Politiker und Demagogen, der nicht das geringste Interesse an einer ästhetischen Diskussion hat.

Fenton Bailey und Randy Barbato nähern sich schon seit langem der amerikanischen Kultur von ihren Rändern her. Dabei haben sie sich in Dokumentationen wie »Out of the Closet« immer wieder für die Stigmatisierten und Verfemten eingesetzt. Nun gehört Mapplethorpe zwar zu denen, die wieder und wieder angefeindet wurden, aber anders als im Fall von Außenseitern wie etwa William Haines müssen Bailey und Barbato den Fotografen, der mit seinen Porträtaufnahmen von Prominenten die Ästhetik der vergangenen drei Jahrzehnte entscheidend geprägt hat, nicht erst dem Vergessen entreißen.

Im Unterschied zu Robert Mapplethorpe sind Bailey und Barbato allerdings weder Erneuerer noch Provokateure. Sie greifen hier wie auch in ihren anderen Dokumentationen auf die üblichen Mittel des Genres zurück. In Gesprächen mit Freunden und Familienmitgliedern, Kuratoren und Mitarbeitern zeichnen sie das Bild eines Mannes, der schon sehr früh wusste, was er wollte: reich und berühmt werden.

Diese Sehnsucht nach dem Rampenlicht und nach einem Vermögen, das möglichst noch das seines Vorbildes und Gegenspielers Andy Warhol übertreffen sollte, verankert Mapplethorpe fest in den 80er Jahren. Einige seiner berühmtesten Arbeiten sind zwar schon in den 70ern entstanden, in denen er die schwule BDSM-Szene New Yorks für sich entdeckte. Trotzdem spiegeln sich in seinen perfekt komponierten Fotos die Hochglanzästhetik der 80er Jahre ebenso wie die für diese Ära so typische konsequente Kommerzialisierung der Kunstszene.

Aber das ist, wie Bailey und Barbato immer auch betonen, nur die eine Seite Mapplethorpes. Die andere offenbart der genaue Blick, den ihre Dokumentation auf die extrem expliziten Fotos wirft, die Helms und andere so erregt haben. Sie sind eben keine Pornografie. Die makellose Komposition und die schon sublimen Kontraste dieser Schwarz-Weiß-Aufnahmen verwandeln pornografische Sujets in wahrhaft revolutionäre Kunst, der es keineswegs um Provokation geht. Mapplethorpe und mit ihm die beiden Filmemacher zelebrieren eine fast schon abs­trakte Schönheit, die die Augen öffnet für verdrängte oder gar gesellschaftlich geächtete Formen von Lust und Begehren.

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Kommentare

ist mit Vorsicht zu genießen. “Twenty-five hundred dollars” sind eben nicht fünfundzwanzigtausend Dollar, sondern zweitausendfünfhundert (bei 01:12).

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