Kritik zu Der Buchladen der Florence Green

© Capelight Pictures

Der liberale Zeitgeist will in ein konservatives Fischerdorf im England der fünfziger Jahre einziehen: Isabel Coixet inszeniert Penelope Fitzgeralds Roman mit Emily Mortimer in der Hauptrolle

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Ein Buch sei wie ein Haus, das man während der Lektüre durchwandere und in dem man sich ein Zuhause schaffe, behauptet die Erzählerin aus dem Off zu Beginn des Films. Und im Folgenden macht Isabel Coixet mit »Der Buchladen der Florence Green« das Kinopublikum zum Zeugen ihrer eigenen Wanderung durch Penelope Fitzgeralds 1978 erschienenen Roman. Die Handlung ist in dem kleinen britischen Küstenort Hardborough des Jahres 1959 angesiedelt, wo Florence (Emily Mortimer) ein altes Haus erwirbt, um darin einen Buchladen zu eröffnen. Florence ist seit 16 Jahren verwitwet. Ihren Mann hatte sie – wo sonst? – in einer Buchhandlung kennengelernt, bevor er im Zweiten Weltkrieg umkam.

Seitdem sind für Florence Bücher ein unverzichtbares Überlebensmittel, und sie ist der festen Überzeugung, dass die Bewohner des beschaulichen Fischerdorfes bald ihre Begeisterung teilen werden. Der Fischer am Kai zeigt sich jedoch wenig überzeugt von ihrem Businessplan. Im Dorf gäbe es nur einen, der Bücher lese: den seltsamen Mr. Brundish (Bill Nighy), der zurückgezogen in einem Herrenhaus am Rande des Ortes lebt. Die lokale Mäzenin Violet Gamart (Patricia Clarkson) dagegen ist entschlossen, ihr das Leben schwerzumachen. Sie hatte eigene Pläne mit dem Haus, wo sie ein Kunstzentrum eröffnen wollte, um ihr Prestige noch weiter zu stärken. Mit beachtlicher intriganter Fantasie versucht Violet, Florence zur Geschäftsaufgabe zu zwingen, und lässt ihre Beziehungen bis hin zu den parlamentarischen Gesetzgebern spielen. Zum Eklat kommt es, als die Buchhändlerin Vladimir Nabokovs »Lolita« im Schaufenster bewirbt.

Penelope Fitzgerald hat ihren Roman als Konfrontation zwischen dem staubigen britischen Konservatismus und der beginnenden Liberalität der späten fünfziger Jahre angelegt. Hinter der Fassade gediegener Konversation entlarvt sie die Böswilligkeit des provinziellen Establishments. Coixet bleibt diesem Grundgedanken treu, indem sie den Buchladen zu einer Bastion des freien Geistes ausbaut, die von der Heldin ebenso tapfer wie vergeblich verteidigt wird. Ein Film, der mit aufdringlicher Intensität immer und immer wieder den Mut seiner Protagonistin beschwört, sollte dann aber auch selbst ein bisschen mehr Courage aufbringen. Coixet setzt den nostalgisch-reaktionären Zeitgeist der fünfziger Jahre auf die Anklagebank, der aus heutiger Sicht ja ein recht bequemes Feindbild abgibt, und inszeniert die Leidensgeschichte selbst im biedersten Historienfilmformat. Über weite Strecken ist »Der Buchladen der Florence Green« kaum von einer Rosamunde-Pilcher-Verfilmung zu unterscheiden.

Natürlich kann Emily Mortimer wie keine andere melancholisch in die Landschaft blinzeln, und ein Film, in dem Bill Nighy einen Auftritt hat, ist nie ein verlorener Film. Aber leider treffen die beiden nur in zwei Szenen aufeinander, in denen sie mit präzise ausgearbeitetem emotionalen Understatement umeinanderschnurren, was einen jedoch nur temporär aus der betulichen Langeweile ­erlöst.

Meinung zum Thema

Kommentare

Zu Ihrer Kritik muss ich mich doch sehr erstaunt äußern,, wie man bei einem solch tiefgründigen und absolut realistisch gelungenen Darstellung einen Vergleich mit den Rosamunde-Pilcher-Filmen ziehen kann. Hier gibt es kein kitschiges Happy-end. Der Film behandelt ein Thema, dass damals wie heute aktuell ist. Machtausübung gegenüber Schwächeren, Beeinflussbarkeit der Masse und fehlende Zivilcourage. Ein gelungener Film.

Ich schließe mich meinem Vorredner an: Die Kritik missversteht den Film. Es geht gerade nicht um liberal gegen konservativ, diese Frage dient dazu den konflikt zuzuspitzen, sondern um die Frage: Was bleibt von unserem Tun, auch wenn wenn wir scheitern? Das Ende ist durch die plötzliche Aufdeckung der Erzählperspektive einzigartig. Was man dem Film vorwerfen kann, ist, dass er die politische Ebene in den Hintergrund rückt: Die Gattin eines Generals, der immer im Trockenen saß, versucht zur verhindern, dass eine Sodaltenfrau, die ihren ungleich beleseneren Mann an der Front verloren hat, den Neustart zu verhindern. Die Geschichte hat viele Ebenen, das macht den Film bestürzend und beglückend zugleich und lässt ihn nicht nur zum reinen Ausstattungsfilm werden.

Ich schließe mich den Meinungen von Frau Angelini und Herrn Koeffler an, mal abgesehen davon, dass in den Pilcher-Filmen auch immer die Sonne scheint, was in diesem Film mal gar nicht der Fall ist... Eine wunderschöne Geschichte mit einer hoch interessanten Erzählperspektive und viel Stille, die Raum für eigene Gedanken und Gefühle lässt, schlicht und schön umgesetzt!

würde ich mich meinen Vorrednern anschließen. Neben dem oben bereits gesagten ist auch in der deutschen Synchronisation der Mut zur Pause, zur Auslassung in Handlung und Dialog ungewöhnlich und macht den Film seh- und hörenswert. Nach dem Trailer würde man einen relativ belanglosen Streifen erwarten, aber man wird positiv überrascht.

Ein sehr sensibler, guter film, der die alltäglichen Abgründe der menschlichen Seele auslotet;
Der Normalo, der - gegen sein innerstes Empfingen - sich immer wieder der korrupten Elite unterwirft, als sich zur "Wahrheit und Freiheit" zu bekennen; s.die Klassenzimmer-Szene, wo die Lehrerin auf Druck von oben, die Schülerin doch verrät.

Annemarie Colditz, 21.8.18

Der Film hat mich sehr berührt. Er greift ein Schicksal heraus, deren es in der Zeit der Liberalisierung sicher genug gegeben hat. Es ist ein leiser aber sehr ansprechender Film, der genügend Zeit zum Nachsinnieren lässt. Nicht jeder Film muss ständigvor Action strotzen, werter Herr Kritiker. Und Rosamunde Pilcher hatte auch ihre Qualitäten, aber dieser Film hat damit nichts zu tun!

Ich bin kein Leser von Literarischen Meisterwerken oder von vielleicht einfacher Literatur, aber dieser Film bringt alles mit, um Leute wie mich, darüber nachdenken zu lassen, vielleicht doch ein Buch in die Hand zu nehmen. Es ist ein warmherziger Film über das Miteinander heute wie damals. Der Buchladen als Mittelpunkt des Geschehens und der Möglichkeit Menschen zusammenzubringen. Wie vorherige Kommentare zeigen ist Macht in den falschen Händen nicht gut, zeigt aber, das gemeinsamer Widerstand hilft. Nicht immer, aber sehr häufig.

Wahrlich ein Film der leisen Töne und erstaunlicher Erzähldichte. Brilliante Schauspieler mit reduzierten Gesten, die umso stärker wirken. Eine Homage an die Kraft von Büchern, die nicht nur in andere Welten einladen, sondern auch couragiertes Handeln hervorbringen. Fast wie ein Drama auf der Bühne braucht der Film wenig große Auftritte und berührt ebenfalls mit seiner Schluss-Szene und dem Abgang in Würde.

Feinfühliger in erzählform gelungener Film mit brillianten Schauspielern, tollem Bühnenbild, super Kameraführung, TOP Synchronisation, die Stimmen sind absolut passend. Wer Ballerei - gern oberflächliche Filme ohne sensiblen Inhalt liebt, für den ist dieser Film nichts. Sorry Herr Schwickert, dem Film nur zwei Sterne von fünf zu geben ist ein absoluter Witz.

Qualität muss nicht notwendigerweise an einen Wohlfühlfilm gebunden sein. Dieses Drama von Isabel Coixet hinterlässt einen tiefen Eindruck, denn es ist eine Kampfansage an das Buch als solches. Und entgegen unserer Sehgewohnheiten ist am Ende zwar nicht alles F.F.E., aber die reinigende Kraft des Feuers hat auch ihr Gutes.
Die Titelfigur (Emily Mortimer) will auf dem Lande einen Buchladen eröffnen. Sie hat sich dafür The Old House ausgesucht, ein renovier bedürftiges Gebäude. Es gibt massive Opposition von Generalsgattin Gamart (Patricia Clarkson), die hier ein Kulturzentrum einrichten will. Unbeirrt macht Florence weiter: Christine (Honor Kneafsey) eine Schülerin aus der Nachbarschaft hilft ihr, Playboy Milo (James Lance) schlägt vor Nabokovs LOLITA zum Verkauf anzubieten, um die Dörfler in Aufruhr zu versetzen. Als auch der ältere Nachbar Mr. Brundish (Bill Nighy), eine Lesefreak, ihr zum Verkauf rät, stellt sie es aus und setzt eine katastrophale Entwicklung in Gang. Die Buschtommeln des Dorfes verbreiten jedes Detail im Sinne von Frau Gamart: Menschenauflauf vor dem Schaufenster bewirkt einen Verkehrsstau, Christines Freundschaftsdienst wird als Kinderarbeit deklariert. Ein Gesetzesparagraph wird bemüht, Behörden deklarieren das Haus als unbewohnbar, um Florence zum Aufgeben zu bewegen.
Nebenher hat sich über die Bücher ein ganz zaghaftes, distanziertes Verhältnis zwischen Florence und Mr Brundish entwickelt. Ihr Zusammentreffen bei einer Tasse Tee, von der niemand einen Schluck nimmt, sowie am Strand sind die Highlights des Films: Emily und Bill bieten selten gesehene, stumme, fast körperlose Berührungen. Ein ganz verstohlen versuchter Handkuss ist bereits die reine Erfüllung.
Mr. Brundish redet mit Mrs. Gamart. Die erfolglose Hilfe überlebt er nicht. Florence reist ab. Christine winkt zum Abschied. Sie hat das Heizöfchen im Old House angelassen. Rauch steigt auf…
Wir sehen keine Sommerbilder, nur Aufnahmen eines nasskalten Winters. Bis auf Florence und Brundish sind alle Figuren hinterlistig, fast feindselig. Und bezüglich Christine hat Drehbuchautorin Coixet am Ende noch eine Überraschung parat.

Ein wunderbarer Film der leisen Töne.

Ich kann die Kritik von Martin Schwickert nicht teilen. Die subtilen Begegnungen der Personen mit ihrem gegenseitigen Respekt ist wunderschön dargestellt. Zum Schluss noch eine Überraschung - mit dem typischen englischen schwarzen Humor.

Fand den Film sehr berührend, die Schwierigkeit als Frau und Witwe. Ergreifend gespiegelt das eigene Schicksal. Nach dem Tod meines Mannes führte ich den Betrieb weiter! erlebte Gutes, auch viel Intrigen Bos-und Gemeinheiten, die mich zum Aufhören zwangen, genau wie Sie!

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