Netflix: »Black Mirror« Staffel 7

»Black Mirror« (St. 7, Ep. 1 »Common People«, 2025). © Netflix

»Black Mirror« (St. 7, Ep. 1 »Common People«, 2025). © Netflix

Statt Tumor ein Abomodell mit Werbung

»Für den reibungslosen Ritt nimm Thirst Trap Gleitgel mit! Jetzt neu in sechs Geschmacksrichtungen!« Diesen Slogan säuselt Amanda (Rashida Jones) ihrem Mann während eines intimen Moments ins Ohr. Die Erotik ist abgelöscht. Wie aber kommt es zu diesem degoutanten Aussetzer? Davon erzählt die Auftaktepisode der siebten Staffel »Black Mirror«.

Es geht um eine Grundschullehrerin, die an einem Hirntumor zu sterben droht. Ihrem geschockten Ehemann (Chris O'Dowd) wird eine letzte Rettungsmöglichkeit offeriert: Das Start-up Rivermind lädt den im operativ entfernten Hirnareal lokalisierten Bewusstseinsinhalt seiner Frau in eine Cloud. Via Streaming werden Amandas kognitive Inhalte wieder in ihr Gehirn eingespeist. Funktioniert prächtig. Leider kann das Paar sich trotz Überstunden kein kostspieliges Premium-Update leisten. Und so muss Mike in Kauf nehmen, dass seine Frau zwischendurch zum Lautsprecher für »Verbraucherinformationen« wird...

Mit diesem Kurzschluss zwischen Coitus interruptus und Werbeunterbrechungen – die es bei Netflix inzwischen auch gibt – hat Charlie Brookers Tech-Noir-Serie sich tatsächlich noch einmal selbst übertroffen. Nicht alle sechs Folgen der neuen Staffel erreichen dieses Level. In »Spielzeug« etwa wird das Trendthema Künstliche Intelligenz etwas überstrapaziert: Ein verwahrloster alter Mann (Peter Capaldi) entpuppt sich als autistischer mad scientist, der seit den 1990er Jahren ein sich permanent selbst optimierendes KI-System am Laufen hält. Sein Versuch, mit einem hingekritzelten QR-Code alle Computersysteme des Planeten zu hacken, vermag ebenso wenig zu überzeugen wie die Folge »Bête Noire«. Um sich bei ehemaligen Mitschülerinnen für Mobbing zu rächen, manipuliert eine hinterhältige Blondine die Wirklichkeit mit einem Quantencomputer – der allerdings eher wie der Zauberstab einer bösen Hexe anmutet.

Langweilig wird »Black Mirror« deswegen nicht. Eine durchdachte atmosphärische Inszenierung unterstreicht auch in schwächeren Episoden das jeweilige Thema. Zumindest visuell herausragend ist die Folge »Hotel Reverie«. So lautet der Name eines Casablanca-ähnlichen fiktiven Hollywoodklassikers der 1940er Jahre, dessen Remake aus Kostengründen mit virtuellen Kulissen und nur geringfügiger Neubesetzung im Computer entstehen soll. Wie in »The Purple Rose of Cairo« entfalten die digitalisierten Charaktere dabei ein Eigenleben jenseits des Drehbuchs. Real ist allein die Hollywoodschauspielerin Brandy (Issa Rae), die zunächst digital in die Rolle des Filmhelden eingeschleust wird und sich dann in die Heldin Dorothy (Emma Corrin) verliebt. Der Plot verheddert sich ebenso wie die verdrehte Geschichte in »USS Callister: Willkommen bei Infinity«, mit der die Anthologieserie erstmals die Fortsetzung einer Folge aus einer früheren Staffel erzählt.

Unerwartetes Highlight ist die Episode »Eulogy«. Ein einsamer Mann (Paul Giamatti) wird über den Tod einer Frau informiert, an die er lange nicht gedacht hat. Doch dank eines immersiven KI-Systems taucht er in verblichene Polaroids ein wie in Filmszenen seines eigenen Unbewussten. Je mehr er dabei im Stil einer psychoanalytischen Sitzung seine verschüttete Vergangenheit auf schmerzhafte Weise freilegt, desto klarer zeichnen sich die Konturen einer bewegenden Liebesgeschichte ab. Weil es sich um eine melodramatisch verfehlte Begegnung handelt, hatte der alte Mann seine große Jugendliebe verdrängt.

In dieser Episode ist der Spiegel nicht mehr ganz so schwarz. Dennoch greift das Science-Fiction-Motiv mit einer durchdachten Geschichte über Trauer, Erinnerung und Lebenslüge glaubwürdiger ineinander als in den Szenarien, in denen das dystopische Motiv schon etwas inflationär ausbuchstabiert wird. Das digital-neuronale Interface jedenfalls, das mit einem blinkenden weißen Knopf an der Schläfe gesetzt wird, ist auch zur Masche geworden. Dennoch behält die Tech-Noir-Serie ihren speziellen Reiz.

OV-Trailer

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