Kritik zu Wackersdorf

© Alamode Film

2018
Original-Titel: 
Wackersdorf
Filmstart in Deutschland: 
20.09.2018
Heimkinostart: 
22.02.2019
Sch: 
L: 
123 Min
FSK: 
6

Oliver Haffner verfilmt die ­Geschichte der Anfänge des ­Widerstandes gegen die geplante Wiederaufarbeitungsanlage im oberpfälzischen Wackersdorf
als beunruhigend brandaktuelles Politdrama

Bewertung: 5
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Schön ist das Hinterland und so friedlich. Zart legt sich der abendliche Nebel auf die Wipfel des Taxöldener Forsts, der sanft schlummernd nicht ahnt, was sich in der Landeshauptstadt zusammenbraut. Denn es mag schön und friedlich sein in der Oberpfalz, aber es gibt dort immer weniger Arbeit; der Braunkohleabbau hat sich nahezu erledigt, mit der Maxhütte geht es bergab und auch die Landwirtschaft bringt nicht mehr genügend ein. Die Menschen wandern ab, was natürlich erst recht nicht hilft. Hinten und vorne fehlt es an Geld. In einer solchen Situation klingt die mögliche Ansiedlung eines »zukunftsweisenden, industriellen Großprojektes« natürlich wie Musik in den Ohren eines Landrates, der sich um seine absterbende Heimatregion und ihre Bewohner sorgt. »Blitzsaubere Sache, Hightech und so, alles in weißen Kitteln. Und mindestens 3000 neue Arbeitsplätze.« So hört sich, aus dem Munde des Herrn Staatsministers für Umweltfragen, ein Angebot an, das man nicht ablehnen kann. Bis er es dann eben doch ablehnt, der Herr Landrat Schuierer von der SPD, und mit ihm noch ein paar Hunderttausend andere, die den Kampf aufnehmen gegen die von der Bayerischen Staatsregierung, unter Führung von CSU-Chef und Alleinherrscher Franz-Josef Strauß, in ­Wackersdorf geplante Wiederaufarbeitungsanlage für nukleare Kernbrennstoffe.

Mittendrin ist man zu diesem Zeitpunkt bereits in diesem klugen Film, »Wackersdorf«, den Oliver Haffner als mustergültiges Politdrama in Szene setzt. 1981 beginnend mit oben erwähntem Angebot und endend 1986 mit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, widmet sich »Wackersdorf« einem jüngeren Kapitel der Geschichte Bayerns und damit auch der demokratischen Strukturen in der BRD – und bereitet es als eine Lektion in Bürgersinn, Engagement und Verantwortungsbewusstsein auf. Trockener Stoff, möchte man meinen, zumal Haffner davon ausgehend auch noch die Themen Rechtsstaatlichkeit und Willkürherrschaft sowie Solidarität, Zivilcourage und Widerstand in den Blick nimmt.

Als Schuierer eines Tages verkündet, dass er nix unterschreibt und schon gleich gar keine Genehmigung, da ruft einer seiner Mitarbeiter erschrocken aus: »Eine Machtprobe mit dem Strauß!?« Gerade so, als sei der Vorgesetzte von Sinnen, weil er dem Willen des Landesvaters zuwider handeln will. Wenig später findet sich der Landrat vermittels der skandalösen »Lex Schuierer« (die auch heute noch in Kraft ist) entmachtet. Er spricht dennoch im Rahmen einer Kundgebung am millionenschweren Bauzaun, der das Gelände gegen die Protestierer abschließt, von einer »Demokratur à la Franz-Josef Strauß«, die man hier in der Oberpfalz nicht wolle. Die Leute jubeln. ­Polemik? Kurz darauf hat Schuierer ein ­Disziplinarverfahren am Hals und soll sich bei Strauß persönlich entschuldigen.

Was Haffner in »Wackersdorf« hervorragend gelingt, ist die bedrückende, ja lähmende Atmosphäre fühlbar zu machen, die seinerzeit in Bayern herrschte; jene von Strauß kultivierte Mischung aus Spezlwirtschaft und Amigo-Sumpf, die die politischen Strukturen dort verklebt, damals in noch höherem Maß als heute. In einigen wenigen prägnanten Szenen, die regelrecht mit der Satire flirten, bringt er die schlitzohrige Selbstherrlichkeit und Arroganz der mächtigen CSU-Funktionäre auf den Punkt, die da meinen, mit dem kleinen Kaff in der Oberpfalz Schlitten fahren zu können. Und die dann mit beispielloser Kaltschnäuzigkeit und ungeheurer Brutalität gegen die alsbald sich regende Bürgerbewegung und einen ganzen Landstrich vorgehen. Sodass es schließlich zu bürgerkriegsähnlichen ­Zuständen kommt, die der Rest der ­Republik zunehmend entsetzt zur Kenntnis nimmt.

Mit dem friedliebenden Landrat, der sein blaues Wunder erlebt – und den Johannes Zeiler sorgsam zurückhaltend als einen Familienvater mit Moral und Gewissen spielt –, steht zum Glück eine Figur im Zentrum, mit der sich auch jene identifizieren können, die dem militanten Widerstand gegen die WAA eher skeptisch gegenüberstehen. Sie macht die Geschichte Wackersdorfs als Geschichte auch einer Befreiung für jeden nachvoll­ziehbar.

Meinung zum Thema

Kommentare

Kürzlich in Lebenslinien eine der mutigsten Mitstreiter von Hans Schuierer:
https://www.br.de/mediathek/video/lebenslinien-16072018-irmgard-und-die-widerstandssocken-av:5b46eae92ae9520012b81a3f

schöner br-beitrag zu waackersdorf

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