"Man könnte glauben, dass Ravel ein fantastischer Filmmusiker wäre", sagte Philippe Sarde einmal, "nur - er hatte keine Filme, für die er Musik hätte schreiben können." Seine Musik sei sehr visuell, fand der Filmkomponist, aber seltsamerweise sei es schwer, sie Bildern zu unterlegen, denn sie enthalte selbst schon alle Bilder.
In Jean-Claude Grumbergs Jugendmärchen »Das kostbarste aller Güter«, dessen Verfilmung seit gestern in unseren Kinos läuft, findet eine merkwürdige Verdinglichung statt. Das Merkwürdigste an ihr ist, wie sehr sie zu Herzen geht.
Vor langer Zeit veranstalteten einige Kollegen und ich alljährlich eine Oscar-Wette. Wir gingen mit einigem Ehrgeiz daran. Allerdings geschah es oft genug, dass ein Freund die höchste Trefferquote erzielte, der keinen einzigen der Kandidaten gesehen hatte. Eventuell lässt sich daraus ja eine Lehre für die Gegenwart ziehen. Ich komme darauf zurück. Aber erst möchte ich Ihnen eine Statistik vorstellen, die ganz bestimmt nicht hilft, die Ergebnisse der kommenden Nacht vorherzusagen.
Die Freundschaft zwischen Regisseuren fasziniert mich immer wieder. Ihr Andauern gibt Rätsel auf. Immerhin könnte sie durch Eitelkeit oder die Konkurrenz, in der sie stehen, verhindert werden. Im Gegenzug mag sie eine ähnliche, womöglich gar deckungsgleiche Auffassung vom Kino verbinden. Es nimmt nicht wunder, dass Andres Veiel und Andreas Dresen eine persönliche und eine Filmfreundschaft verbindet?
Wenn ich »Hell's Angels« von Howard Hughes, dessen 4-K-Restaurierung im Rahmen der "Berlinale Classics" läuft, ein heroisches Fiasko nenne, was wiegt dann schwerer in Ihren Augen: das Hauptwort oder das Adjektiv? Für Martin Scorsese steht die Antwort fest. Ich bin ihr nach langem Schwanken beim Wiedersehen zumindest einen großen Schritt näher gekommen.
Francois Truffaut sprach gern vom "großen Geheimnis", wenn er über Regisseure schrieb, die ihr Handwerk noch in der Stummfilmära gelernt hatten und seitdem nie vergaßen, wie es ist, eine Geschichte rein visuell zu erzählen. In »Shen nu« (The Godess/ Die Göttliche), dem diesjährige Stummfilm im Programm der Berlinale Classics, kommt man diesem Geheimnis gleich in den ersten Bildern auf die Spur.
Der Gedanke, dass ihr Mann gleich fort sein wird, bereitet Okane nachgerade körperliche Schmerzen. Sie taumelt verzweifelt durchs Haus, hastet von Raum zu Raum, lehnt sich an die Wände, die ihr keinen Halt bieten, krallt sich schluchzend an ihnen fest. Um jeden Preis will Okane verhindern, dass Seisaku wieder in den Krieg zieht.
Anders als die Retrospektive, die besser eines hätte, kommen die Berlinale Classics ohne Konzept aus. Für die Zusammenstellung der kleinen Reihe braucht es eigentlich nur einen Überblick der aktuellen Restaurierungen weltweit, dazu Geschmack sowie ein scharfes Auge und waches Ohr.
Meinen ersten Eindruck vom Faszinosum, das Panama für die USA darstellt, gewann ich als junger Zuschauer von »Arsen und Spitzenhäubchen«. Damals wusste ich noch nicht, dass es vor allem ein Begehren ist. Ich hielt es eher für ein kurioses Trauma.
Es kommt nicht mehr so häufig vor, dass man an Claude Chabrol denkt. Seine Weggefährten von der Nouvelle Vague scheinen die cinéphile Phantasie nachhaltiger zu beschäftigen. Truffauts Großzügigkeit bleibt verlockend; es ist noch immer amüsant, wie bei Rohmer das Einfache kompliziert wird – und Godard wird uns ohnehin ewig heimsuchen. Aber Chabrol hat aufgehört, ein Adjektiv zu sein.