Auf der Höhe der Zukunft

Douglas Trumbull, der vor zwei Tagen im Alter von 79 Jahren starb, war der erste Spezialeffekte-Künstler, den man für einen Wissenschaftler halten durfte. Wie seine Kollegen übte er dieses Metier als ein Tüftler, Handwerker und Magier aus. Aber er erweckte den Eindruck, seine Zukunftsvisionen seien tatsächlich durch Forschungen untermauert. Er verlieh dem Begriff Science Fiction volle Gültigkeit. Dabei ist gar nicht klar, ob und was er überhaupt studiert hat.

Gleichviel, diese Aura umgab ihn, seit er an Kubricks »2001« mitgewirkt hatte und wurde kurz darauf von »Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All« bekräftigt. Sagen wir es einmal so: Es passte zu ihm, dass er das Angebot ablehnte, an »Krieg der Sterne« mitzuwirken und statt dessen seine Vorstellungskraft lieber in den Dienst von »Unheimliche Begegnung der Dritten Art« stellte. Ein Erfinder war er allemal. Für seine zweite abendfüllende Regiearbeit "Projekt Brainstorm" reaktivierte er 1983 nicht nur das Format, über das ich im vorangegangenen Eintrag schrieb – es war die erste große Studioproduktion, die seit »Ryans Tochter« in 70mm gedreht wurde -, sondern nutze es für ein Verfahren namens "Showscan", das 60 statt 24 Bildern pro Sekunde aufnahm. Dergleichen gab es sonst nur in Sport-, Industrie- oder eben Wissenschaftsfilmen.

Als ich heute morgen die Nachricht seines Todes las, erlebte ich zwei Überraschungen. Erstens habe ich an dieser Stelle schon einmal ausführlich über seinen zweiten Langfilm geschrieben (in "Brainstorming" vom 25.4. 2014), obwohl Science Fiction eigentlich gar nicht mein Genre ist. Zweitens war ich erstaunt, wie kurz Trumbulls Filmographie tatsächlich ist. Die IMDb verzeichnet gerade einmal elf Filme, für deren Spezialeffekte er verantwortlich zeichnet, 13 Regiearbeiten (darunter elf Kurzfilme) und sieben Credits als Mitproduzent. Dennoch hat Trumbull das Kino mindestens so nachhaltig geprägt wie Ray Harryhausen oder John Dykstra. Wer wissen will, was er neben filmischen Welten noch erfand, wird im englischsprachigen Wikipedia-Eintrag fündig. Dort erfuhr ich beispielsweise, dass schon sein Vater Donald zeitweilig in diesem Metier arbeitete (er trug Spezialeffekte zu »Der Zauberer von Oz« bei) und dass Douglas einen Ausbildung als Zeichner absolvierte. Also war er ein Autodidakt? Schwer vorstellbar, denn seine Imagination war technisch, wissenschaftlich und philosophisch auf der Höhe der Zeit, nein, der Zukunft. Ob von ihm die Idee stammte, dass in »Blade Runner« die Bevölkerung von Los Angeles im Jahre 2019 nicht vorwiegend hispanisch, sondern asiatisch ist, mag ich nicht mit Gewissheit behaupten. Aber er befasste sich nicht allein mit technischem Fortschritt, sondern auch zivilisatorischem.

Ohnehin schillerte dieser Begriff bei ihm. Regisseure, die ihn in den letzten Jahren verpflichteten, taten dies vor allem, wenn sie sich Bilder erhofften, die nicht computeranimiert wirkten. Dann sagte er stets, machen wir es so wie damals bei »2001«. Das war beispielsweise der Fall, als Terrence Malick ihn für »The Tree of Life« engagierte. An dessen "Voyage of Time", über den ich zum Jahresbeginn schrieb, war Trumbull hingegen nicht beteiligt, auch wenn einige Quellen darauf beharren.

Auch die Hauptfiguren der zwei Langfilme, die er inszenierte, waren ihrer Zeit voraus. Chrisopher Walken benutzt in "Projekt Brainstorm" eine Art horizontales Fahrrad, das nach seiner Auskunft Muskelenergie spart, aber erst Jahre später in der Wirklichkeit zu sehen war. »Lautlos im Weltraum« war 1972 gewissermaßen der erste ökologisch orientierte Science-Fiction-Film. Das war meinen Schulkameraden und mir eher unerheblich, als wir ihn eines Abends im Programm des WDR entdeckten (einen regulären Kinostart hatte er bis dahin nicht. Für uns war das ein ungewöhnlicher, jugendlicher, utopischer und reflektierter Film, überdies ein großartiges Bruce-Dern-Vehikel. Wir identifizierten uns mit ihm. Seine Kollegen auf der Raumstation mochten ihn wegen seiner Liebe zur Natur verspotten, aber wir verstanden ihn und wussten instinktiv, dass er auf dem richtigen Weg war. Trumbull mochte Außenseiter, daran bestand kein Zweifel. Er litt seit langem an Krebs. Ihm hätte man fast zugetraut, dass er ein Heilmittel dagegen finden könnte.

 

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