ARD-Mediathek: »Warum ich?«
© ARD Degeto Film/Superfilm Filmproduktions GmbH/Nicole Albiez
Die Ankündigung der ARD-Produktion »Warum ich?« als »Anthologieserie« ist ein Widerspruch in sich. Serien weisen wiederkehrende Elemente auf, Anthologien sind Zusammenstellungen geschlossener Einzelerzählungen. Im werbefinanzierten US-Fernsehen eine Form mit langer Tradition. In der ersten Goldenen Ära des Fernsehens trugen die Reihen den Namen des Sponsors im Titel in der Art von »Goodyear Theatre«. Andere stellten den Präsentator heraus wie »Alfred Hitchcock Presents« oder gaben Auskunft über das Genre: »The Twilight Zone«. Steven Spielberg produzierte in der Art der bekannten Vorbilder »Amazing Stories«. Auch deutsche Produzenten griffen die Erzählform auf, mit unter anderem Lokalseite unten links und Unheimliche Geschichten.
Teils unheimlich, angesiedelt in Grenzbereichen, bizarr und mit schwarzem Humor durchsetzt sind auch die sechs Geschichten, die David Schalko für seine Anthologie »Warum ich?« schrieb und inszenierte. Für die Folge »Cowboys« vereinnahmte er die Biografie des 2017 verstorbenen Musikers Gunter Gabriel, der durch missglückte Immobiliengeschäfte hohe Schulden angehäuft hatte. Um die zu begleichen, ließ er sich für kleine Gagen für Wohnzimmerkonzerte buchen. Bei Schalko heißt der bankrotte Countrysänger Jeff Kanter. Er lebt sinnigerweise in einem Reisemobil, mit dessen Verkauf er einen Großteil seiner Schulden bereits begleichen könnte.
Die spröde Monika Werner bucht ihn als Geburtstagsgeschenk für ihren Mann Günther. Doch der lässt auf sich warten. Schließlich singt Jeff nur für Monika, nachdem beide kräftig dem Alkohol zugesprochen haben. Monika wird ein wenig anschmiegsam, Jeff bleibt Kavalier und will sich davonstehlen. Monika lotst ihn zurück ins Haus. Jeff wird es nicht mehr verlassen…
Eine Entlassungsmanagerin ist auf dem Heimweg, als ihr Zug auf offener Strecke hält. Jemand hat sich auf die Schienen geworfen. Sie argwöhnt, dass es sich um eine Person handeln könnte, der sie zuvor die Kündigung übermittelt hatte.
In »Lebenskerze« versucht Hans an seinem 60. Geburtstag, seine dysfunktionale Familie über seine Alzheimer-Diagnose zu informieren und über seinen Entschluss, den Freitod zu wählen. In Freunde ist wiederum eine Geburtstagsfeier Ausgangspunkt des Geschehens. Mit ersichtlichem Widerwillen stehen die Gäste des unangenehmen Sprücheklopfers Dominik dessen Einladung durch. Später auf dem Heimweg bietet ihm ein Fremder seine Freundschaft an – mit vorgehaltener Pistole. »Mondfenster« führt in die absonderliche Welt der Untergangspropheten, die weltfern als Selbstversorger leben und an das Ende der Erdgravitation glauben. Als zwei Männer anklopfen, die sich als Außerirdische in Menschengestalt ausgeben, scheinen sich alle Befürchtungen zu bewahrheiten. »Casa Carmen« beschreibt einen turbulenten Abend in einem Edelrestaurant. Ein Paar streitet, ein Teenager erpresst die Mutter, zwei Rollstuhlfahrer kommen sich näher. Dann taucht eine Figur aus Folge zwei auf, und es ereignet sich eine dramatische Verwechslung.
Schalko nutzt ernste Themen wie Massenentlassungen, Freitod, Einsamkeit als reines Spielmaterial. Anders als das Vorbild singt der Countrysänger Jeff Kanter dümmliche Texte und verfehlt die richtigen Töne; menschliche Tragik wird zum Witz.
Inszenatorisch leistet sich Schalko einige Nachlässigkeiten. Jeffs Auftritt steht unmittelbar bevor, doch macht er keine Anstalten, seine Gitarre auszupacken und den Verstärker aufzustellen. In der Folge »Regensburg« ist der Bahnunfall gerade erst passiert, da betritt schon ein eigens bestellter Psychologe das Abteil der Personalmanagerin. Er will sogar bereits mit dem »Zugführer« gesprochen haben. Ein falscher Begriff, gemeint ist der Lokführer, und ein sehr salopper Umgang mit der Erzählzeit. Nicht nur darin wirkt »Warum ich?« wie eilig hingeworfen und fahrig produziert.
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