arte-Mediathek: »Country Music – Der Sound der USA«

»Country Music – Der Sound der USA« (Dokuserie, 2019). © arte

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Drei Akkorde und die Wahrheit

Breite Hüte, Strass, verschnörkelte Posamenten. So kleiden sich Menschen, die ohne folkloristische Wurzeln ihre Idee von Countrymusik zum Besten geben wollen. Diejenigen, die diese Musik erfunden oder besser auf Basis bereits bestehender Stilrichtungen entwickelt hatten, trugen Schiebermützen, Stroh- oder Filzhüte, Arbeitskleidung, weil sie auf den Feldern oder in Fabriken arbeiteten. Cowboys waren die wenigsten von ihnen, auch wenn das Wort in manchen Bandnamen erscheint. Eine Verkaufsmasche, schon früh erfunden. Der Genrepionier Jimmie Rodgers war städtischer Bahnarbeiter, gab sich aber für die Karriere zeitweilig als Landbewohner aus, um seinen Hillbilly-Titeln Authentizität zuzuschreiben.

Dayton Duncan als Autor und Ken Burns als Regisseur sind der Geschichte der Countrymusik nachgegangen, ursprünglich für eine achtteilige Dokumentarserie mit knapp zweistündigen Folgen. arte Deutschland zeigt eine für die BBC gekürzte Fassung, mit bedauerlichen thematischen Lücken.

Vor allem die ersten vier Folgen sind bedeutsam, weil Duncan hier die ursprünglich enge Verbindung von schwarzer und weißer Folklore nachweist. Chuck Berrys »Maybelline« ließe sich auch mit Fiedel und Banjo instrumentieren, die Countrylegende Hank Williams bediente sich für »Long Gone Lonesome Blues« eines klassischen Bluesschemas. Mit zunehmender Kommerzialisierung, vor allem mit Aufkommen der Bildmedien, wurden afroamerikanische Musiker verdrängt. In der Serie kommen noch Darius Rucker und Charley Pride zu Wort, ein ehemaliger Baumwollpflücker, der sich 1966 als Schwarzer im Countrygenre durchsetzen konnte. Ab da sieht man in der arte-Serie nur noch weiße Interpreten.

Duncan und Burns bedienen sich gern einer typischen Hollywood-Dramaturgie, erzählen Geschichten vom Aufstieg aus ärmsten Verhältnissen, von Krisen und Comebacks oder von tragischen Karriereenden, durch einen Unfall wie bei Patsy Cline oder Krankheit wie bei Jimmie Rodgers, dessen Biografie Clint Eastwoods »Honkytonk Man« inspirierte. Erfolg drückt sich bei Duncan zumeist in Ticket- und Plattenverkäufen sowie in Hitparadennotierungen aus, wenngleich er selbst Kritik an der Kommerzialisierung zum weichgespülten »Countrypolitan« übt. Duncan konzentriert sich meist auf die besonders erfolgreichen Vertreter. Willie Nelson und Waylon Jennings sind wichtig, standen aber nicht allein. Der Name John Hartford, bekannt durch den Soundtrack für den Film »O Brother, Where Art Thou?«, erscheint einmal auf einem Plattencover, die Dillards auf einer Anzeigetafel, Kinky Friedman und Jerry Jeff Walker werden flüchtig erwähnt.

Dolly Parton und die mittlerweile verstorbene Loretta Lynn berichten, wie sie sich innerhalb des wertkonservativen Country-Establishments durchsetzten. Lynn sang gewagte Texte über prügelnde Ehemänner und Verhütung. Auch darüber berichtet die Kurzfassung der Serie, ein flotter Streifzug durch die Jahrzehnte, der leider manches vermissen lässt.

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