Sky: »La Fortuna«

»La Fortuna« (Miniserie, 2021). © Telefónica Audiovisual Digital, S.L.U.

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Piraten des 21. Jahrhunderts

Ist er ein Träumer, der es geschafft hat, seine Träume in die Wirklichkeit umzusetzen, oder aber ein skrupelloser Freibeuter, der das Recht des Stärkeren auf seiner Seite weiß? Der US-Amerikaner Frank Wild stellt sich als Mann da, der Träume verwirklicht, weiß aber auch eine skrupellose Anwältin an seiner Seite, um seine Ansprüche jederzeit juristisch zu untermauern. Mit seinem Unternehmen Atlantis Industries betreibt er modernste Schatzsuche, ausgestattet mit scheinbar unerschöpflichen finanziellen Mitteln, die es ihm erlauben, Schätze aus Meerestiefen zu bergen, wo andere nicht einmal hinkommen. Sein jüngster Fund: ein Schiff voller Goldmünzen, gesunken vor Gibraltar. Das erweckt in Spanien Aufmerksamkeit. Sollte es sich dabei um die »La Fortuna« handeln, die 1804 von den Briten versenkt wurde (was dann zum Krieg zwischen beiden Nationen führte)?

Mit der Miniserie »La Fortuna« gibt der spanische Regisseur Alejandro Amenábar (»The Others«, Oscar 2004 für den besten fremdsprachigen Film, »Das Meer in mir«), der alle sechs Episoden inszeniert hat und auch als Ko-Autor verantwortlich zeichnet, sein Fernsehdebüt. Die Serie basiert auf einer spanischen graphic novel (als »Der Schatz der Black Swan« 2018 auch ins Deutsche übersetzt), die wiederum von wahren Ereignissen inspiriert wurde, der Bergung eines gesunkenen spanischen Schiffes im Atlantik 2007 durch ein privates US-Unternehmen, der ein langjähriger Rechtsstreit um die Eigentümerschaft folgte.

Auf spanischer Seite agieren Álex, ein Jungdiplomat, frisch von der Diplomatenschule in seiner ersten Anstellung im Kultusministerium, anfänglich zurückhaltend mit Bedacht auf seine Karriere, und Lucia, etwas älter als Alex, die im Archiv des Ministeriums versauert und nach Abenteuern dürstet, temperamentvoll und insofern vollkommen undiplomatisch, als zwei wie Hund und Katz, die über der gemeinsamen Arbeit dann doch zusammenfinden. Unterstützt werden sie vom Kultusminister, einem Schriftsteller, der mit seiner politischen Tätigkeit hadert, weil er kaum Einfluss hat, aber diese Chance ergreift, ein Stück nationaler Kultur zu bewahren, und von Jonas Pierce, einem schwarzen amerikanischen Anwalt, Spezialist für Seerecht und jeder Zoll das Gegenstück zu Frank Wild (mit dem ihn gleichwohl eine alte tragische Geschichte verbindet).

Organisiert ist das Ganze als Wettlauf gegen die Zeit: sieben Tage bleiben für einen Einspruch vor einem US-Gericht, sonst wird der Schatz dem Entdecker zugesprochen. Wild kennt die entsprechenden juristischen Winkelzüge, aber auch auf spanischer Seite zeigt man sich kreativ, wenn es darum geht, in den Besitz geheimer Dokumente zu gelangen. Und zwischendurch ahnt man, dass im Hintergrund finstere Mächte ihre Strippen ziehen, in der dritten Episode wird eine Verbindung zu geheimen Gefangenentransporten der CIA nach Guantanamo hergestellt, erst ganz am Ende erfahren wir, wer dahinter steckt und worum es sich bei dem wahren Schatz auf dem Meeresgrund handelt.

Frank Wild mag sich als moderner Indiana Jones sehen – aber der gab die von ihm aufgespürten Schätze den Museen, wie Pierce bemerkt. Oder ist Wild doch der Kind gebliebene Träumer? Am Ende der dritten Folge erklärt er gegenüber den Nachfahren der 1804 auf der »La Fortuna« ums Leben gekommenen Menschen, er sei gekommen, um ihnen zurückzugeben, was ihnen gehöre. Stanley Tucci, der durchaus auch schrill sein kann (man denke an seine Rolle als Showmaster in der »Die Tribute von Panem«-Filmreihe) verleiht dieser Figur – bei aller Undurchsichtigkeit – ein bemerkenswertes Charisma, verkörpert sie mit sparsamsten Mitteln und größtmöglicher Ruhe, während es auf spanischer Seite oft wuselig zugeht – ein bisschen Satire auf die Langsamkeit und Umständlichkeit der spanischen Bürokratie gehört dazu, auch ein großer Showdown vor Gericht, der (ähnlich wie im neuen Film von Andreas Dresen) ganz klassisch auf die Unabhängigkeit der Justiz setzt. Der findet allerdings bereits in der vorletzten Folge statt, der Zuschauer ahnt, dass Frank Wild so schnell nicht aufgeben wird und immer wieder ein neues As aus dem Ärmel zu zaubern versteht. Das bewahrt einerseits die Spannung bis zum Ende, ist in seiner Konstruktion aber doch stark an klassische Dramaturgien angelehnt. Dazu gehört auch auf der Gegenseite das ungleiche Paar, das schließlich zusammenfindet und  der Wettlauf gegen die Zeit. »La Fortuna« ist letztlich ziemlich konventionell erzählt, offenbar wollte Alejandro Amenábar damit ein großes Publikum erreichen und für die Frage nationalen Eigentums an historischen Schätzen sensibilisieren. Dass der spanische Goldschatz in Lateinamerika zusammengeraubt wurde, klingt dabei allerdings nur am Rande an.  

OV-Trailer

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