Buch-Tipp: Anthologieserie

Kontinuität und Variation

Die erste Staffel von »True Detective« spielte in den brütenden Landschaften von Louisiana, in sumpfigen Küstenmarschen und dichten Mangrovenwäldern, in baufälligen Gebäuden und heruntergekommenen Schuppen. Während alle Welt davon spricht, dass die modernen Fernsehserien den Roman abgelöst haben, schrieb Romanautor Nic Pizzolatto eine bahnbrechende Miniserie, die einem Film gleicht, der sich auf luxuriösen 450 Drehbuchseiten in acht Folgen ausbreiten darf, von einem Autor entwickelt und von einem Regisseur in 100 Drehtagen auf 35-mm-Film gebannt. Staffel 2 und 3 spielten unter wechselnder Regie mit anderem Personal an neuen Schauplätzen: Was blieb, waren der Autor, die Verzahnung der Fälle mit den Lebensgeschichten der Ermittler, ein Fall, der sich über mehrere Zeitebenen erstreckt, und der von T-Bone Burnett zusammengestellte Soundtrack.

Anthologieserien wie »True Detective«, »Black Mirror«, »American Horror Story« oder »Fargo« nehmen in der Explosion des seriellen Erzählens eine Sonderstellung ein. Während die modernen Serien oft mit dem Roman verglichen werden, gleicht die Anthologieserie eher einer Kurzgeschichtensammlung, wobei die englische »anthology« noch einmal eine andere Bedeutung hat als die deutsche Anthologie. Allein die vier genannten Anthologieserien zeigen eine für das Genre typische enorme Bandbreite im Spiel zwischen Kontinuität und Variation. Höchste Zeit also für den Band »Anthologieserie«, in dem die Ergebnisse einer Konferenz gebündelt sind, die im Frühjahr 2019 an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster abgehalten wurde. Mit einer Einführung der Herausgeber und elf Aufsätzen, über »True Detective«, Horror-Anthologien von »Tales from the Crypt« bis »American Horror Story«, »Philipp K. Dicks Electric Dreams« und sogar über den Tatort, gleicht der Band selbst einer Anthologie zum Thema. Dabei geht es vor allem um eine wissenschaftlich fundierte Begriffsklärung und die Auffächerung in verschiedene Fallbeispiel-Variationen, und da sich verschiedene Autoren mit dem Thema befassen, kommt es im nur spärlich illustrierten Buch zu Wiederholungen und Überschneidungen.

 


Kilian Hauptmann, Philipp Pabst, Felix Schallenberg (Hg.): Anthologieserie. Systematik und Geschichte eines narrativen Formats. Schüren, Marburg 2022. 270 S., 34 €.

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