MagentaTV: »Wild Republic«

»Wild Republic« (Serie, 2021). © Luis Zeno Kuhn, Lailaps Pictures GmbH – X Filme Creative Pool GmbH

© Luis Zeno Kuhn, Lailaps Pictures GmbH – X Filme Creative Pool GmbH

Bildungsauftrag

Der irritierende Kontrast der ersten Bilder etabliert bereits den Tonfall der Survival-Dramaserie »Wild Republic«. Eine junge Frau steht nachts im Wald, um sie herum schemenhaft weitere Jugendliche, Geschrei und Durcheinander, stakkatoartig geschnittene Bilder, sie wirkt verstört, ihre Hand blutverschmiert. Untermalt ist die Szene mit einem elegischen Score, der überleitet zum majestätisch-menschenleeren Panorama einer Gletscherkette.

Diesen Effekt der Gegensätze, zwischen Krawall und Stille, Tempo und Ruhe, Zivilisation und Natur nutzt der Achtteiler ausgiebig, um seine Geschichte von jugendlichen Straftätern zu erzählen, die in einem Experiment in den Alpen resozialisiert werden sollen. Auf einer mehrwöchigen Tour durch die Südtiroler Alpen sollen sie, unter Aufsicht von Sozialarbeitern, bürgerliche Tugenden lernen. Dass es außer Kontrolle geraten wird, ist da schon klar, und gleich in der ersten Nacht ist einer der Betreuer tot. Schnell eskaliert die Situation zwischen den Jugendlichen und ihren Betreuern, aber auch untereinander. Scheinbar weiß keiner, wie es zur Kopfwunde kam, aber jedem ist klar, dass sie den Behörden nicht trauen können, denn im Grunde ist jede:r verdächtig. Also hauen sie ab, in die Berge, und versuchen sich zu organisieren. Aber natürlich macht die Natur nicht plötzlich ehrlich und altruistisch handelnde Menschen aus ihnen, auch hier oben werden Rollen gespielt, Intrigen angezettelt und sich gegeneinander verschworen.

Das erinnert nicht von ungefähr an »Der Herr der Fliegen«, dem Klassiker aller Gedankenspiele um die oft destruktiven Gruppendynamiken von auf sich allein gestellter Jugendlicher. Auch das Sachbuch »How to Start Your Own Country« von Erwin S. Strauss soll Inspirationsquelle gewesen sein. In der Erzählhaltung hat man sich bei »Wild Republic« offensichtlich auch an die amerikanische Serie »Lost« gehalten, etwa in der Art, wie jede Folge die Vorgeschichte einer der Charaktere in den Fokus nimmt. Warum gerieten sie auf die schiefe Bahn? Langsam blättert sich so ein Netzwerk sehr unterschiedlicher Charaktere auf, die eine kleine Alternativgesellschaft nach ihren Regeln aufstellen.

Die von einem Autorenteam um die Grimme-Preisträger Arne Nolting und Jan Martin Scharf entwickelte Handlung droht in ihrem Bildungsauftrag bisweilen ins Didaktische zu kippen, vor allem die Gruppendiskussionen wirken oft hölzern und erzwungen pädagogisch wertvoll, aber die Serie ist so gut besetzt und von Marcus Goller (»Friendship!«) fast durchgängig spektakulär inszeniert, dass diese Momente kaum stören. Erfrischend sind vor allem die klaren Bezüge zur Gegenwart und das reale Setting in der imposanten Bergwelt Südtirols, die »Wild Republic« von anderen deutschen Prestigeserien der letzten Zeit abhebt, die wie »Barbaren«, »Tribes of Europa« und »Wir Kinder vom Bahnhof Zoo« mal in grauer Vorzeit, mal in dystopischer Zukunft angesiedelt oder gleich komplett aus der Zeit gefallen sind.

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