Film des Monats Januar: »Martin Eden«

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Empfohlen von der Jury der Evangelischen Filmarbeit

Martin Eden arbeitet als Matrose. Wenn er an Land ist, lebt er in Neapel bei seiner Schwester, in ärmlichen Verhältnissen; wenn er Zeit hat, schreibt er Geschichten. Die Zufallsbekanntschaft mit Arturo Orsini, den er an den Docks davor bewahrt, zusammengeschlagen zu werden, eröffnet Martin eine neue Welt. Er wird in das großbürgerliche Haus der Orsinis eingeladen, und es gelingt ihm, Eindruck zu machen – vor allem bei Elena, Arturos Schwester. Martin verliebt sich, und Elena scheint seine offensive Körperlichkeit, seinen ruppigen Charme anziehend zu finden. Einer engeren Bindung aber steht genau das im Weg: Es fehle ihm an Erziehung, sagt Elena unverblümt. Martin verstärkt seine literarischen Anstrengungen und verordnet sich ein rigides Bildungsprogramm – von Baudelaire bis zu den philosophisch-soziologischen Schriften von Herbert Spencer, der das Wort vom survival of the fittest geprägt hat. Martin ist entschlossen, dazuzugehören – als Schriftsteller Erfolg zu haben, Elena zu heiraten und in der Sphäre der Orsinis akzeptiert zu werden.

Pietro Marcello hat den 1909 erschienenen »Martin Eden«-Roman des Amerikaners Jack London ins Italien des 20. Jahrhunderts transferiert, ohne historisch ganz konkret zu werden – die Kostüme könnten aus den 20ern stammen, die Autos aus den 70ern oder 80ern. Der Film erzählt mehr als eine Liebesgeschichte – es ist ein düsterer, anspielungsreicher Antibildungsroman, den Marcello in sinnlichen Bildern auf die Leinwand bringt. Der Protagonist kämpft nicht nur um Geltung, sondern auch mit weltanschaulichen Positionen: sozialistisch, radikal-individualistisch, autoritär. Dokumentarische, atmosphärische Aufnahmen der auf dem Land und im Hafen arbeitenden Menschen ergänzen, kommentieren und konterkarieren die Geschichte des Helden. So erzählt der Film, ganz gegenwärtig, wie sich Eliten reproduzieren und behaupten – und was die bürgerliche Vorstellung vom Erfolg qua singulärer Leistung im Bewusstsein anrichten kann. Die Figur Martin Eden fasziniert, weil der begabte Mann sich von den sozialen Barrieren nicht beirren lässt und ihm, zumindest über weite Strecken, das vermeintlich Unmögliche gelingt.

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