TV-Tipp: »Der Luther-Code«

Daniel Arthur Fischer als Martin Luther © EIKON-Media

Daniel Arthur Fischer als Martin Luther © EIKON-Media

Intellektueller Input

500 Jahre, das ist eine lange Zeit. Vor allem, weil sich die Entwicklung der Gesellschaft im letzten Jahrhundert so rasant beschleunigt hat: Was verbindet uns noch mit einer Welt, in der es mit Sonnenuntergang tatsächlich zappenduster wurde, in der es Tage oder Wochen dauerte, um eine Nachricht zwischen zwei europäischen Städten zu übermitteln, und in der man an einer Blinddarmentzündung mit ziemlicher Sicherheit starb? »Der Luther-Code«, eine sechsteilige Dokumentation in einem Programmschwerpunkt, mit dem Arte auf das Reformationsjubiläum 2017 zusteuert, versucht, auf diese Frage eine Antworten zu finden – und macht es sich erfreulich schwer. Luther ist hier nicht der Superheld, der im Alleingang die deutsche Sprache erneuert, den Glauben revolutioniert und das moderne Subjekt erfunden hat. Er ist eher so etwas wie eine zentrale Synapse in einem neuronalen Netz, das seinerzeit, im Übergang vom Spätmittelalter zur Neuzeit, eine nie dagewesene Menge an neuem Input zu verarbeiten hatte.

»Der Luther-Code« © EIKON-Media

Die Serie, geschrieben von Wilfried Hauke und Andrea Hardorf, geht von der These aus, dass im Programm von Reformation und Renaissance der Kern aller aufklärerischen Bewegungen steckte – die Idee, dass der Mensch für die Gestaltung seiner Umgebung verantwortlich und auch in der Lage ist, diese Verantwortung wahrzunehmen. Diese Linie zieht sich durch die Jahrhunderte: von Jan Hus und Luther, Leibniz und Lessing, Bertha von Suttner und Freud bis in die Gegenwart, mit einer Fülle von Material, in einer treibenden Montage aus historischen Spielszenen und atmosphärischen Kamerafahrten, Interviews, Porträts und Dokumenten inszeniert. Manche »Links« erscheinen etwas herbeigezwungen; anregend sind die Verbindungen zwischen Buchdruck und Internet, »Égalité« und LGBTQ*, Astrophysik und Bio-Art allemal. Und es ist den Autoren gelungen, eine Menge Zeitgenossen vor der Kamera zu versammeln, die etwas zu sagen oder zu zeigen haben: Wissenschaftler, Künstler, Aktivisten, darunter die Feministin Laurie Penny, die Soziologin Eva Illouz, die Flüchtlingshelferin Regina Catambrone, Wikipedia-Gründer Jimmy Wales oder der Architekt Van Bo Le-Mentzel. Irgendwann stellt sich das Gefühl ein, dass wir nicht am Ende der Geschichte stehen, sondern dass vielleicht noch etwas geht. Wie sagt Mr. Spock? »Change is the essential process of all existence« – ohne Wandel kein Leben.


*Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender und Queer


»Der Luther-Code« im Schwerpunkt »500 Jahre Reformation« auf Arte:

Samstag, 29. Oktober 2016

21.50 Uhr (1) Sprung in die Freiheit
22.40 Uhr (2) Suche nach der Wahrheit
23.35 Uhr (3) Aufbruch zur Gleichheit

Sonntag, 30. Oktober 2016

19.25 Uhr (4) Traum von gerechtigkeit
20.15 Uhr (5) Macht und Verantwortung
21.10 Uhr (6) Glaube an die Zukunft

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