Netflix: »Ripley«

»Ripley« (Miniserie, 2024). © Netflix

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Alles andere als nur schwarz und weiß

Der Kontrast zu den Filmversionen könnte auf den ersten Blick kaum größer sein: Sowohl René Clements »Nur die Sonne war Zeuge« von 1960 als auch Anthony Minghellas »Der talentierte Mr. Ripley« von 1999 füllen die Leinwand mit sommerlich bunten Farben und viel, viel Licht. In Steven Zaillians Serienadaption wird dagegen sehr deutlich, dass die Handlung im winterlichen Italien spielt. In den Schwarz-Weiß-Bildern von »Ripley« erscheint das Meer nicht blau und strahlend, sondern schwarz und bedrohlich, besonders für Tom Ripley, dem tiefes Wasser unheimlich ist. Das Pittoreske der Amalfi-Küste verwandelt sich ohne ablenkende Farben in abstrakte, abweisende Schönheit. Ripley (Andrew Scott) kippt bei der Ankunft fast um, als er auf der Suche nach Dickie Greenleaf (Johnny Flynn) die vielen, vielen Treppen der Altstadt von Atrani (das das fiktive »Mongibello« des Romans ersetzt) hinauf und herunter und wieder hinauf steigen muss. Nichts erinnert an Ferienvergnügen; Misstrauen bestimmt von Anfang an den Ton.

Das gilt auch schon für die Auftaktszenen in New York, in denen Tom bei seinen Trickbetrügereien gezeigt wird. Er ist ein Mann, der immer auf der Hut ist, sich ständig umschaut, jeden Blickkontakt auf die Gefahr hin auslotet, entdeckt zu werden. Wie der Schiffsmagnat Herbert Greenleaf (ein Gastauftritt des Indie-Regisseurs Kenneth Lonergan) darauf kommt, er könne mit seinem Sohn Dickie befreundet sein, erscheint rätselhaft, sogar für Tom selbst. Dass er die Chance nutzt, nach Italien zu reisen, um im Auftrag des Vaters dem Sohn zuzureden, wirkt verständlicher denn je. Genauso offensichtlich ist da bereits, dass Tom mitnichten vorhat, den Auftrag im Sinne des Vaters zu erfüllen, sondern nur dessen Angebot, Überfahrt und Spesen zu bezahlen, ausnutzen will.

Der 1953 geborene Steven Zaillian ist einer der erfolgreichsten Drehbuchautoren in Hollywood; für das zu »Schindlers Liste« bekam er einen Oscar, für weitere (»Gangs of New York«, »Moneyball«, »The Irishman«) gab es Nominierungen und Preise. Mit der Highsmith-Adaption erfüllt er sich offensichtlich einen Herzenswunsch: »Ripley« ist dank seiner Länge – acht Folgen, die zwischen 44 und 76 Minuten dauern – schon näher am Roman, als es die Filme sein konnten. Gleichzeitig setzt Zaillian den Stoff mit einer ästhetischen Bestimmtheit in Szene, die geradezu hypnotisch fesselt. Jede Einstellung (Kamera Robert Elswit) ist durchkomponiert, die Tonspur generiert eine Welt, in der Straßengeräusche aus viel mehr als nur Motorenlärm bestehen. Die Verweise auf Caravaggio, die sich durchziehen, sind sowohl thematischer Natur – der Maler als Mörder auf der Flucht – als auch künstlerischer. Es hänge alles von der Beleuchtung ab, sagt sich schließlich sogar Ripley selbst, als er in einer späten Folge jemandem eine falsche Identität vorspielen muss.

Dass in der Schwarz-Weiß-Inszenierung harte Kontraste dominieren, steht im Gegensatz zu dem, wie die einzelnen Figuren gezeichnet werden. Vielschichtig und widersprüchlich sind in Zailllians Version die Kontrahenten Tom und Dickie mit ihrer von Anziehung, Abstoßung, Neid und Minderwertigkeitskomplexen gekennzeichneten Männerfreundschaft. Dass Johnny Flynn mit 41 und erst recht Andrew Scott mit 47 Jahren eigentlich viel zu alt sind für ihre Rollen, vergisst man völlig, so komplett verschwinden die beiden hinter ihren Charakteren. Flynn lässt bei seinem Sohn aus reichem Haus zwischendurch eine tiefe Unsicherheit durchblitzen, die sein »Hereinfallen« auf Ripleys Trickbetrüger-Charme mit erklärt. Und Scott verleiht seinem Tom eine versteckte, tief sitzende Traumatisierung, die es ihm unmöglich macht, auf etwas anderes zu vertrauen als auf sein Talent zur Täuschung.

Aber auch die zahlreichen Nebenfiguren, die Hotelconciergen, die Polizisten, Ripleys Vermieterin in Rom (eine großartige Margherita Buy), lässt Zaillian wie selten zur Geltung kommen. Dakota Fanning als Marge ist nicht nur hübsches Beiwerk, sondern macht als dilettantische Schriftstellerin eine andere Facette amerikanischer »Ausbeutung« sichtbar. Den arroganten Amerikanern gegenüber verhalten sich die italienischen Figuren oft mit einer Mischung aus Skepsis, Befremden und Vorsicht. Auch wenn Ripley mit der Zeit gut Italienisch spricht, erkennt man den Abgrund, der ihn von ihnen trennt. Und trotzdem erlebt er auch immer wieder verblüffende Akte von Komplizenschaft, eine Art unterbewusste Solidarität mit dem Aufbegehren gegen Klassengesellschaft und Obrigkeiten, für das Ripley eben auch steht.

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