Kritik zu Prélude

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Dissonanzen: In ihrem Spielfilmdebüt erzählt die Deutschiranerin Sabrina Sarabi vom Konkurrenzdruck unter drei Studenten einer Musikschule

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Man erfährt nicht viel über den jungen Mann, der sich am Anfang des Films auf recht distanzierte, un­emotionale Weise in ein neues Leben nach der Schulzeit hineinbewegt, mit leichtem Gepäck, in eine karg möblierte Studentenwohnung, bald darauf zum Kennenlernvorspiel vor der strengen Professorin einer nicht näher definierten Musikhochschule. Weder in Worten noch in seiner Mimik verrät er etwas über seinen Gefühlszustand, über das, was ihn bewegt, berührt, beängstigt, begeistert. Allein aus den zunächst leichten, bald anschwellenden Dissonanzen zwischen dem Sichtbaren und dem Hörbaren destilliert Sabrina Sarabi diese Lebensgeschichte.

Es ist in erster Linie ein Lebensgefühl, das die deutschiranische Regisseurin in ihrem Spielfilmdebüt verfilmt hat, die wachsende Unruhe, die die jungen Menschen ihrer Generation befällt, eine Rastlosigkeit, die weniger aus den Erwartungen der Eltern entsteht als aus den Selbstoptimierungsansprüchen, die sie sich selbst auferlegen, aus einer Sucht nach Perfektion und aus dem Druck, der durch die Konkurrenz entsteht. In der Musik hat die Regisseurin die perfekte Metapher gefunden, für den höchstmöglichen Kontrast aus handwerklicher Präzisionsarbeit und seelischer Durchlässigkeit. Während David (Louis Hofmann) seinen Fingern und seinem Körper geradezu militärische Disziplin abverlangt, leidet seine empfindsame Seele. Das hat man so ähnlich schon häufiger gesehen, in »Vier Minuten« von Chris Kraus, und vor allem in »Whiplash« von Damien Chazelle. Erzählt wird dieser Seelennotstand aus dem Kontrast zwischen äußerer Gefasstheit und innerer Zerrüttung. Nach außen hin wirkt David extrem verschlossen und unzugänglich, seine Züge erscheinen teilnahmslos, geradezu versteinert, seine Haltung stoisch. Nur die Musik, die er spielt, zusammen mit den Geräuschen, die er hört, verraten etwas über sein Seelenleben, die Art, wie die Panik ganz langsam durch die obsessiven Wiederholungsmuster dringt, sich gegen alle Disziplin zunehmend verselbstständigt. Die Art, wie sich David immer stärker fordert, immer unerbittlicher gegen seine eigenen Grenzen geht, bis seine Finger sich gegen die Überforderung verkrampfen, erinnert daran, wie Miles Teller in »Whiplash« so lange Percussion-Rhythmen exerzierte, bis seine Finger blutig waren. Und die Grausamkeit, mit der einer der Musiklehrer David vor dem versammelten Auditorium bloß stellt, erinnert an J. K. Simmons unerbittlichen Schleifer. Man spürt, dass die Regisseurin und ihr Hauptdarsteller Louis Hofmann (»Dark«) hier unterschwellig auch vom Konkurrenzdruck im Filmgeschäft erzählen.

Es ist ein verstörender Film, weil es schwer ist, dabei zuzuschauen, wie dieser Junge ohne Druck aus dem Elternhaus verloren geht. Und weil sich Louis Hofmann auch dem Zuschauer so konsequent verschließt, dass seine Handlungen völlig unvermittelt und unerklärlich im filmischen Raum stehen, seine Konkurrenz mit ­einem anderen Musikstudenten ebenso wie seine Liebe zur Kommilitonin (Liv Lisa Fries). Die eigentliche Geschichte liegt in der ­Tonspur.

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