Nahaufnahme von Aaron Sorkin

Reden, was das Zeug hält
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Aaron Sorkin

Er ist der Meister des Schnellfeuerdialogs und mit »Steve Jobs« hat Aaron Sorkin nun endgültig den Gipfel einer Drehbuchautorenkarriere erreicht: man spricht von »seinem« Film

Auf YouTube werden Kompilationen seiner größten Hits erstellt. Erregung schwappt durch die Fangemeinde, sobald publik wird, dass er an einem neuen Projekt arbeitet. Und ja, er hat eine hochpeinliche Verhaftung wegen Drogenbesitz und mehrere, sehr öffentlich gemachte Entziehungskuren wegen Kokainsucht hinter sich. Keine Frage also, Aaron Sorkin ist der Rockstar unter den Drehbuchautoren. Bei der Premiere seines neuen Films, »Steve Jobs«, auf dem Festival im amerikanischen Telluride, so berichtet die LA Times, schrie denn auch jemand im Publikum nach einer Dialogfolge »Sorkin!«, ganz so, als habe da einer gerade ein virtuoses Gitarrensolo abgeliefert. Und damit nicht genug: tatsächlich wird »Steve Jobs« sehr viel öfter als sein, Sorkins Film, besprochen denn als der des Regisseurs Danny Boyle. Ein Status, den nicht viele Drehbuchautoren in und um Hollywood je erreicht haben.

Was also macht ein Sorkin-Skript so unverwechselbar? Die Antwort ist so einfach wie vertrackt. Es sind die Dialoge, besser gesagt, eine bestimmte Qualität von Dialogen. »Schnellfeuergerede« sagt man oft dazu. »Steve Jobs« enthält Beispiele dafür in rekordverdächtiger Dichte. Da wirft etwa der von Seth Rogen verkörperte Steve Wozniak seinem einstigen Freund und Mitstreiter Jobs Undankbarkeit vor: »Du kannst keinen Code schreiben, du bist kein Ingenieur, du bist kein Designer. Ich habe die Platine gebaut, die grafische Schnittstelle war geklaut, jemand anders hat die Box entworfen... Wie bitte kommt es, dass ich nun zehn Mal am Tag lesen muss, Steve Jobs sei ein Genie? Was machst du überhaupt?« Worauf der von Michael Fassbender gespielte Jobs antwortet: »Ich spiele das Orchester, und du bist ein guter Musiker«.

»Steve Jobs« (2015)

Selbst in der deutschen Übersetzung ist noch zu merken, was Sorkin hier gemacht hat. Nicht nur, dass die Sorkin-Dialoge Rhythmus haben und wie Musik funktionieren. Sorkin ist auch Meister darin, Dramatik in Sprache abzubilden. Wozniaks Handwerkerethos und Gutmütigkeit auf der einen und Steve Jobs' Egozentrik und Hochmut auf der anderen sind hier perfekt aufgelöst in Dialog. Wie überhaupt in »Steve Jobs« das ganze Genre Biopic in Dialog aufgelöst wird. In völliger Abkehr von den Biopic-Ritualen, die etwa den kleinen Steve in den 60er Jahren an der Hand seines Vaters vor dem Schaufenster eines Elektronikladens zeigen würden (das, so Sorkin in einem Interview, hätten die Produzenten ursprünglich erwartet), hat er sein Drehbuch in drei Akte eingeteilt, die in strenger Symmetrie jeweils in den Minuten vor einem Produkt-Launch spielen. Hinter den Kulissen trifft sich Jobs mit alten Freunden und neuen Feinden; es wird in einem fort geredet, was das Zeug hält, und in diesem Reden aber bildet sich alles ab, wofür ein gewöhnliches Biopic besagte Kindheitsszenen oder die beliebten Montagesequenzen braucht.

Fast könnte man sich diese drei Akte auch als Theaterstück vorstellen – gäbe es da nicht das sogenannte walk and talk, jene zusammen mit Thomas Schlamme entwickelte Weise, seine Figuren zu filmen, während sie sprechend Flure und Zimmer durchqueren, in langen Einstellungen, bei denen die Kamera vorausgeht. »Walk with me«, sagt etwa der von Martin Sheen gespielte Präsident in Sorkins TV-Serie »West Wing« ein ums andere Mal zu seinen Mitarbeitern, und der Zuschauer darf dabei sein, wie in den Fluren des Weißen Hauses Politik gemacht wird.

»West Wing« (1999–2006)

Mit »West Wing«, der von 1999–2006 in den USA ausgestrahlten Serie mit einem fiktionalen Präsidenten im Zentrum, schien Sorkin vor gut zehn Jahren den Zenit seiner Karriere erreicht zu haben. Ausgezeichnet mit zahlreichen Golden Globes und Emmys galt »West Wing« seinerzeit als bestes Beispiel für das neue, intelligente und Intelligenz fordernde Fernsehen. Sorkin, als Erfinder und langjähriger Chefautor der Serie, machte aus der Überforderung des Zuschauers ein Erzählprinzip. Aus im Grunde wenig fernsehgerechten Vorgängen wie der Abstimmung über einen Gesetzentwurf mit einer gegnerischen Parlamentsmehrheit wurden in Sorkins Schreibe regelrechte Thriller, von denen man die Augen und Ohren nicht abwenden konnte.

Den ersten großen Erfolg hatte der 1961 in New York Geborene mit seinem Kinodrehbuch für »Eine Frage der Ehre« (1992), wozu er schon die Theaterstückvorlage geliefert hatte. Doch charakteristisch für Sorkins Lebenslauf war seither ein gewisses Auf und Ab. Auf die Lorbeerenhäufung zu »West Wing« folgten Verrisse für die Serie »Studio 60 on the Sunset Strip«, auf den Drehbuch-Oscar für »The Social Network« (2010) der geballte Kritikerhass für »The Newsroom« (2012–14). Mit »Steve Jobs« aber ist Sorkin wieder ganz oben angelangt.

...unsere Kritik zu »Steve Jobs« (Start: 12.11.)

Meinung zum Thema

Kommentare

Da habe ich was gelernt über Aaron Sorkin, danke.

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