Kritik zu The Social Network

Filmclip © Sony Pictures

Wie werde ich Milliardär? Facebook und der soziale Gesichtsverlust. David Fincher verfilmt die Mark-Zuckerberg-Biografie »Milliardär per Zufall« als Geschichte eines Nerds

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Das Internet und die sozialen Netzwerke mit ihren oberflächlichen Instant-Befriedigungen sind gefährliche Drogen, die gewaltigen gesellschaftlichen und psychologischen Schaden anrichten.« Von solchen kulturkritischen Einsprüchen, wie sie der Schriftsteller Jonathan Franzen derzeit in Interviews immer wieder betont, handelt David Finchers »The Social Network« nicht. Auch nicht von den im letzten Jahr besonders laut gewordenen Befürchtungen, dass bei Facebook das »soziale Netz« nur ein Vorwand für den Zugriff auf Konsumentenprofile sei. Basierend auf Ben Mezrichs Buch »Milliardär per Zufall« und dem Drehbuch von Aaron Sorkin (»West Wing«, »Eine Frage der Ehre«), erzählt David Fincher vom plötzlichen Reichtum des 19-jährigen Harvard-Studenten Mark Zuckerberg (Jesse Eisenberg), der im Herbst 1983 eine Idee, die in der Luft liegt, aufgreift und Facebook begründet, indem er Konkurrenten und Mitstreiter ausbootet, und sich dann, als sich Facebook zum weltweit erfolgreichsten »sozialen Netz« entwickelt hat, gegen deren Klagen und Forderungen juristisch behaupten muss.

Der Prolog präsentiert eine dialogisch toll ausgefeilte und herrlich ausgespielte Szene, die als Urszene zur Charakterisierung eines »Nerds« in die Filmgeschichte eingehen könnte. Da trifft sich Zuckerberg zu einem Date mit seiner Kommilitonin und Freundin Erica Albright (bezaubernd: Rooney Mara) in einer Kneipe. Die beiden sitzen einander gegenüber und ihr Dialog entwickelt sich derart katastrophisch, dass Erica ihn schließlich sitzenlässt und zum Abschied beschimpft: »Du bist nicht nur eine Nervensäge, du bist ein richtiges Arschloch!« Menschliche Kommunikation lebt von wohlwollendem Metaphernverständnis. Dazu ist Zuckerberg nicht fähig. Mit bohrender, sezierender Logik zerpflückt er geradezu obsessiv alle Äußerungen Ericas und erweist sich – auch wenn er das nicht intendieren mag – als angeberischer, niedermachender Besserwisser, der offenbar nur im Konkurrenzschema denken kann.

Dass Erica ihn abserviert hat, kränkt Zuckerberg derart, dass er sie in seinem Blog beschimpft und eine Webseite für Kommilitoninnen-Ranking einrichtet. Ein Studentinnen-Facebook als Rache für seinen Gesichtsverlust. Sein Ruf als genialer Hacker und Programmierer bringt die Gebrüder Winklevoss auf den Plan, zwei Studenten, die einer steinreichen Familie entstammen, der exklusivsten Harvard-Verbindung angehören und die Idee zur Einrichtung eines sozialen Netzes haben. Zuckerberg klaut ihnen die Idee, macht sie zur eigenen und erfindet sein Facebook. Sein einziger Freund Eduardo Saverin (Andrew Garfield) hilft ihm dabei und wird später hinterhältig abserviert. So entsteht also das soziale Netz Facebook aus reichlich asozialen und misogynen Impulsen und entwickelt sich zur milliardenträchtigen Geschäftsidee der Vermarktung von Privatsphäre.

All dies wird aus der Zuckerberg-Perspektive mit Rückblenden erzählt, ausgehend von Vergleichsverhandlungen, in denen sich der Internetheld den Vorwürfen und Forderungen der Winklevoss-Brüder und Saverins stellen muss. Die dramaturgische Dichte des Prologs bleibt dabei unerreicht, aber die Verhandlungen sind auf witzige Pointen hin inszeniert, und die Rückblenden entfalten ein mit viel Ironie gezeichnetes Panorama der Charaktere und ihrer Milieus. Besonders schön ausgemalt: die gediegene Winklevoss-Welt mit ihrer Geldadelarroganz, und dann die Techno-Discos und das VIP-Getue von Napster-Erfinder Sean Parker (wunderbar: Popstar Justin Timberlake), auf den sich Zuckerberg einlässt, weil das Quantensprünge des Erfolgs verspricht.

Wird diese Zuckerberg-Figur dem real existierenden Zuckerberg gerecht? Gehen wir davon aus, dass der Film – gemäß der Maxime aus John Fords »Der Mann, der Liberty Valance erschoss«: »Wenn die Legende zur Tatsache wird, drucke die Legende« – die Legende erzählt. Am Ende folgt Fincher dem sentimentalen Muster aller Hollywood-Erfolgsstorys: Der Held mag sich an seinem Milliardengewinn gar nicht so recht erfreuen, wenn er an Erica denkt oder an den schnöde ausgetricksten Freund Eduardo. Das erfühlt eine Assistentin, die Zuckerberg zum Finale mit ironischer Pointe exkulpiert: »Sie sind kein Arschloch, aber sie tun alles dafür, dass es so erscheint!«

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