Ein letzter Dandy

Schauspieler Richard E. Grant
"Dom Hemingway" (2013)

© 20th Century Fox

Richard E. Grant: Seine ganze Schauspielerkarriere verdankt er ironischerweise einem Film, Withnail & I von 1987, in dem er einen arbeitslosen Schauspieler verkörperte

Manchmal kann eine einzige Rolle tatsächlich alles verändern. 1986 hatte Richard E. Grants Karriere noch gar nicht begonnen und schien doch schon am Ende. Nach ein paar kleineren Auftritten, unter anderem in der BBC-Produktion »Honest, Decent and True« (1986), stand plötzlich alles still. Die wenigen Castingtermine, zu denen er eingeladen wurde, blieben folgenlos. Und die Zweifel, die der 1957 im damals unter britischem Protektorat stehenden Swasi­land geborene Schauspieler in seinen 1996 veröffentlichten Tagebüchern »With Nails« drastisch und voller Selbstironie beschreibt, wurden immer größer. Doch dann kam mit Bruce Robinsons Tragi­komödie Withnail & I (1987) die Wende.

Die 60er Jahre sind beinahe vorüber. Ein kalter, nasser Herbst hat die Stadt fest im Griff. Der Schwung ist raus aus Swinging London. Was bleibt, sind Erinnerungen an bessere Tage. Tage, an denen von all den Drogen noch ein gewisser Zauber ausging, an denen Freiheit mehr war als ein Leben ohne Geld in einem kalten, verdreckten Haus. Die Situation der beiden arbeitslosen Schauspieler Withnail (Grant) und Marwood (Paul McGann) ist nahezu unerträglich geworden. Marwood hat mehr und mehr mit seinen Angstneurosen zu kämpfen, während sich Withnail einfach weiter an seine Dandy-Illusion klammert.

Dieser Withnail ist Alkoholiker und Egozentriker, Lügner und Manipulator. Und Grant spielt ihn mit einer Schärfe und Härte, die absolut verblüffend sind. Er entschuldigt nichts in dem Verhalten dieses nur auf sich selbst fixierten Mannes. Natürlich ist Withnail enorm gerissen und ziemlich cool. Er weiß eigentlich immer, wie er alles Unangenehme auf seinen Freund Marwood abwälzen kann und wie er andere am vorteilhaftesten ausnutzt. Nur eins weiß er eben nicht, wie er dieser Spirale aus Alkohol und Trägheit, aus Misanthropie und Zynismus noch entkommen soll. Am Ende bleibt er allein zurück, in einem Park in London. Nichts, aber auch gar nichts schwebt und schwingt mehr. Die 70er Jahre haben begonnen, der Abstieg in den Alptraum. Unsentimentaler hat sich kaum ein Film von dem Mythos der 60er Jahre verabschiedet, und Richard E. Grant trägt ihn mit einer Grandezza zu Grabe, die unvergesslich bleibt.

In »With Nails« bekennt Grant, dass er diesem einen Auftritt als arbeitsloser Schauspieler alle seine späteren Rollen verdankt. Die Filme, die er in den 90ern mit Robert Altman und Francis Ford Coppola, Philip Kaufman und Martin Scorsese gedreht hat, gehen alle darauf zurück. Oft waren es wie in Zeit der Unschuld (1993) oder Trevor Nunns Was ihr wollt (1996) nur kleine Rollen, aber immer war da Grants charakteristische Mischung aus Selbstbeherrschung und Unruhe, aus unterdrückten Emotionen und tiefer Verletzlichkeit.

Daran hat sich bis heute kaum etwas geändert. Rollen wie die in Richard Shepards überdrehtem Pulp-Comic Dom Hemingway, in dem er fast so etwas wie die Stimme der Vernunft ist, sind eher eine Seltenheit in Grants Schaffen. Das wird eher von Typen wie Jasper geprägt, einem so charmanten wie verantwortungslosen Drogensüchtigen, den das Partygirl ­Jessa Johansson – in der dritten Staffel von Girls – in einer Entzugsklinik kennenlernt. Jasper ist zwar schon deutlich über 50, aber er hat immer noch das verführerische Flair eines Mannes, der die Regeln ohne Rücksicht auf Verluste bricht. Es sind kurze Auftritte, aber selbst in diesen wenigen Szenen gelingt es Grant, mit seinem sardonischen Humor einen Geist in die Welt der Girls zu tragen, der ihr sonst fehlt. Diese europäische Eleganz und Dekadenz hat im ansonsten eher banalen New York der Twentysomething-Kreativen einen unwiderstehlichen Reiz.

Mittlerweile wirkt Richard E. Grant immer mehr wie ein Relikt aus einer früheren Zeit. Während er in den 80er und 90er Jahren oft in Historienfilmen wie Philip Kaufmans Henry & June (1990), Francis Ford Coppolas Bram Stoker’s Dracula (1992) und Philippe Rousselots Der Schlangenkuss (1996) aufgetreten ist, scheint er nun in der Gegenwart angekommen zu sein. Dafür umgibt seine Figuren zunehmend die Aura des Vergangenen.

Dom Hemingway startet am 17. 4.

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