Bradley Cooper – Ein Porträt

Außen pretty, innen kratzig
Bradley Cooper in »A Star Is Born« (2018). © Warner Bros. Pictures

Bradley Cooper in »A Star Is Born« (2018)

© Warner Bros. Pictures

Attraktiv ist schon mal gut. Komisch wie in ­»Hangover« noch viel besser. Inzwischen hat Bradley Cooper seine ­Marke ausdifferenziert; er produziert, inszeniert ...

Killer-Smile, strahlend blaue Augen mit charmanten Lachfältchen, sonnengebräuntes Gesicht, malerisch mit Dreitagebartstoppeln dekoriert und von kecken goldblonden Locken umrahmt, dazu ein durchtrainierter Körper: Wer so aussieht, dem bleibt gar nichts anderes übrig, als lebenshungrige bis vergnügungssüchtige Draufgänger zu spielen, die oberflächlichem Amüsement nachjagen. So wie der beste Freund von Matthew McConaughey in »Zum Ausziehen verführt« (Failure to Launch), der ausgelassene Phil beim Las-Vegas-Junggesellenabschied in »Hangover« oder auch Aidan Stone, der sich trotz makelloser Erscheinung in einer Handvoll Episoden der Serie »Nip/Tuck« (2003–2010) mit allerlei Schönheitsbehandlungen zeitlos jung hält. Da würde man nicht unbedingt vermuten, dass Bradley Coopers Interesse am Spielen ausgerechnet durch einen düsteren Schwarzweiß-Film von 1980 geweckt wurde, in dem Gesicht und Körper der Titelfigur wahlweise von dicken Beulenwucherungen oder einem dreckigen Lumpen verhüllt ist: »Ich wusste, dass ich spielen wollte, seit ich mit zwölf Jahren zusammen mit meinem Vater »Der Elefantenmensch« von David Lynch sah«, erzählte er 2011 im Interview. »Ich konnte nicht glauben, was dieser Film emotional in mir auslöste. Diese ungeheure Wirkung wollte ich auch erreichen.« Von einer 30-Minuten-Version des »Elephant Man«-Theaterstücks von 1977 am Actors Studio bis zu der jüngsten Aufführung des Dramas am New Yorker Booth Theatre ließ die Geschichte Cooper nicht mehr los. Sicher, als er John Merrick dort 2016 spielte (neben Patricia Clarkson und Alessandro Nivola), hatten die Kritiker zunächst Zweifel, ob das funktionieren könne: der amtierende sexiest man alive als deformierter Elefantenmensch. Doch dann lobten sie seine kühne Darstellung – im Unterschied zu John Hurt im Film ganz ohne prothetisches Make-up – als große, tief berührende Leistung. Insofern lässt sich die Karriere von Bradley Cooper auch als konsequenter Versuch lesen, das selbstbewusste Auftreten systematisch auszuhöhlen, die äußere Attraktivität mit ­inneren Dämonen zu attackieren, ständig zu zeigen, dass er mehr ist als ein pretty boy. Im Laufe der Jahre hat er bewiesen, dass man ihn nicht auf sein Aussehen reduzieren kann, und trotzdem waren seine klassischen leading-man-Qualitäten das ­Kapital, auf dem er eine vielschichtige Karriere aufbauen konnte, bis hin zu seinem furiosen Regiedebüt »A Star Is Born«.

Happy-go-lucky

Geboren wurde Bradley Cooper 1975 in Philadelphia; seine Mutter war NBC-Journalistin und sein Vater Börsenmakler. Zunächst studierte er Literatur und spielte auf dem College in diversen Stücken, bevor er 1997 nach New York zog, um am Actors Studio zu studieren. An der legendären Schauspielschule, an der sich Größen wie Jack ­Nicholson fünf-, Dustin Hoffman sechs- und Harvey Keitel elfmal bewerben mussten, wusste Dekan James Lipton schon nach wenigen Sekunden, dass dieser Cooper-Junge das Zeug zum großen Schauspieler hatte. Die Titel seiner frühen Filme passten dann noch recht gut zu seinem happy-go-lucky-Image, angefangen mit dem ersten Fernsehauftritt in »Sex and the City« als Beinahe-Affäre von Carrie Bradshaw und in anderen Rollen am Rande, wie in »Wet Hot American Summer«, wo eine schwule Romanze am Rande eines 80er-Jahre-Feriencamps mit einer Hippie-Eheschließung am See endet (seine Figur spielte er viel später noch einmal in der Fernsehserienversion), oder in der recht unsäglichen romantischen Komödie »Bending All the Rules«, wo er sich seine neue Eroberung mit einem Konkurrenten teilen muss. Es folgten kleinere Auftritte in Serien wie »Touching Evil«, »Jack and Bobby« und »Law and Order« und 2006 die erste größere TV-Rolle in der Agenten-Action-Serie »Alias«. Als Will Tippin ist er der Freund der von Jennifer Garner gespielten Geheimagentin – ein Lokalreporter, der im Laufe seiner Recherchen immer tiefer in ihre gefährlichen Affären gezogen und schließlich selbst rekrutiert wird. In »Wedding Crashers« spielte er dann den extrem nervigen Sack Lodge, der Vince Vaughn beim familiären American Football gleich mehrfach umnietet und auch sonst nur penetrant unangenehm auffällt.

»Hangover« (2009). © Warner Bros. Pictures

Mit der wunderbar durchgedrehten Komödie »Hangover« um einen entgleisten Junggesellenabschied in Las Vegas kam der ganz große Durchbruch. Hier spielte Bradley Cooper seinen Starappeal zum ersten Mal voll aus. Der enorme Kassenerfolg des Films öffnete ihm alle Türen für eine Karriere im Schneeballsystem, in der ein aufregender Film den nächsten nach sich zog, angefangen mit Neil Burgers »Limitless«. Nach vielen leichtgewichtigen Sunnyboy-Rollen durfte er hier endlich ein paar düstere, getriebene Töne anschlagen und trat auch zum ersten Mal aus dem Team heraus und ins Zentrum des Geschehens. Zunächst ist sein Eddie Mora ein antriebsschwacher, zielloser und verwahrloster Autor mit Schreibblockade. Doch dann schluckt er eine kleine, durchsichtige, 800 Dollar teure Pille – und schon spannen sich alle durchhängenden Gedanken, konzentriert sich seine Wahrnehmung. Alles, was er irgendwann irgendwie streift, ein Murmeln im Raum, ein flüchtiger Blick in der U-Bahn, ein Rauschen im Fernseher, verwandelt sich in wertvolle Information, die er zu brillanten Schlussfolgerungen verdichtet: »Plötzlich wusste ich, was zu tun war und wie.« Der Film ist eine rasante Achterbahnfahrt, die zugleich lebensphilosophische Fragen eröffnet, liegt also genau zwischen den beiden Polen, zwischen denen sich Bradley Cooper von nun an als Schauspieler bewegt. »Limitless« war auch das erste Mal, dass Cooper als ausführender Produzent stärker in den Produktionsprozess involviert war und sich so in Richtung Regie orientierte.

Cops & Agenten

Eine ganze Reihe Cops und Agenten spielte er im Laufe der Jahre, mit zum Teil fragwürdiger Moral, wie in Derek Cianfrances »The Place Beyond the Pines«, wo er allerdings mit der rohen, schmutzigen, wütenden und zerbrechlichen Energie von Ryan Goslings Bankräuber nicht wirklich mithalten kann, in einem insgesamt holprig konstruierten Film. Auch den Spitzenkoch, den er in »Im Rausch der Sterne« spielte, konnte man ihm nur bedingt abnehmen. Zu den schillernden Perlen in seiner Filmografie gehört hingegen der genmanipulierte Waschbär Rocket, dem er in »Guardians of the Galaxy« und »Avengers: Infinity War« eine kratzige Stimme lieh. Sicher es gibt auch ein paar Aussetzer in seiner illustren Filmografie, aber im Wesentlichen hatte Cooper ein richtig gutes Gespür für vielversprechende Projekte, für tolle Regisseure und interessante Spielpartner, mit denen ihn dann oft eine längere Zusammenarbeit und Freundschaft verbindet. Dazu gehört Robert DeNiro, der sein Freund und Mentor ist, seit er ihn am Ende von »Limitless« zur Schnecke machen durfte: »Von ihm habe ich ungeheuer viel gelernt. Das Wichtigste ist, dass man sich selbst nicht im Weg stehen darf. Er vertraut dem, was im Moment passiert, und lässt sich darauf ein. Vor allem erzwingt er nichts.« Später erzählte er in einem Interview davon, wie er sich in einer Aufführung von »Elephant Man«, in der DeNiro im Zuschauerraum saß, immer abwandte: »Er ist der Beste, und ich möchte nicht, dass er mich jemals dabei erwischt, dass ich spiele!« Überhaupt folgt Cooper dem alten James-Cagney-Satz über die Essenz des Schauspiels: »Say what you mean and mean what you say«. Sag, was du meinst, und meine, was du sagst. Das heißt im Grunde nichts anderes als nicht zu spielen, sondern im Jetzt und Hier der Szene eine ­Realität zu schaffen, in die man sich entspannt fallenlassen kann. Allemal eine gute Methode, um Attraktivität herunterzuspielen und sogar vergessen zu lassen.

»Ohne Limit« (2011). © Concorde Filmverleih

Zu Coopers Langzeitverbündeten gehört neben Todd Philipps, für den er nach drei »Hangover«-Filmen eine kleine Rolle in »War Dogs« übernahm, auch David O. Russell, mit dem er zum ersten Mal in »Silver Linings« zusammenarbeitete (in dem wiederum Robert DeNiro seinen Vater spielte). Russell ist bekannt dafür, Schauspieler gegen ihr Image zu besetzen, und so dafür zu sorgen, dass sie sich selbst überraschen.

Wie ­alle Helden von Bradley Cooper hat auch der ehemalige Lehrer Pat Solitano ein Wahrnehmungsproblem. Sein Leben ist zerstört, Job und Frau hat er verloren; nachdem er einen Rivalen kranken­hausreif geprügelt und acht Monate in der Psychiatrie verbracht hat, kehrt er in sein Jugendzimmer im Elternhaus in der provinziellen Ödnis am Rande Philadelphias zurück – und könnte kaum aufgekratzter sein. Doch die Euphorie ist brüchig, jeden Moment kann die Stimmung kippen – ein aufregender Balanceakt, den Bradley Cooper schwindelfrei meistert.

»Silver Linings« (2012). © Senator

»Silver Linings« ist eine spritzige romantische Komödie über das ernste Thema psychische Erkrankungen und ihre Auswirkungen auf die Familie. Wie in »Hangover« und »Limitless« lässt sich Cooper auch hier die rasanten Screwball-Dialoge virtuos auf der Zunge zergehen, bis zum unverhofften Silberstreifen am finalen Horizont. Im nächsten Jahr folgte mit David O. Russells »American Hustle« ein weiterer Film über das Überleben in schwierigen Zeiten und die Neuerfindung danach. In einem flirrenden Spiel mit Schein und Sein, mit Rolle und Realität und mit großer Lust an Maske und Verkleidung gibt hier jeder vor, ein anderer zu sein: Um seine Zielpersonen aufs Glatteis zu führen zettelt Bradley Cooper als ehrgeiziger FBI-Agent Richie DiMaso ein irres Finanz-Verwirrspiel an, wobei er zugleich mit seiner Idee von Männlichkeit experimentiert. Da er sich dabei ausgerechnet an schwarzen Baseballspielern der siebziger Jahre orientiert, sieht man ihn in einer wunderbar absurden Szene mit zahllosen Minilockenwicklern im schwarz gefärbten Haar. Dem grellen Seventies-Schein zum Trotz eröffnet sich aber auch dieser Figur viel Raum für verletzliche Gefühle. Auch in »Joy«, dem nächsten Film von David O. Russell, war Cooper wieder dabei, wenn auch nur in einer kleineren Rolle als Manager eines Fernsehshopping-Kanals, der der von Jennifer Lawrence verkörperten Hausfrau und Erfinderin ihre erste Chance eröffnet.

Rockstar!

Eine weitere wichtige Kollaboration begann Bradley Cooper mit Clint Eastwood, für den er sich in den »American Sniper« verwandelte. Als es 2014 darum ging, dass er den ermordeten Kriegshelden Chris Kyle spielen sollte, zweifelte dessen Vater daran, dass die pretty boys aus Hollywood dafür die Richtigen seien und schlug vor, Cooper hinten an seinen Truck zu binden und durch den Dreck hinter sich her zu zerren, um ihm seine Attraktivität zu nehmen. Dem Schauspieler, der seit seinem achten Lebensjahr als »hübsch« bezeichnet wurde, gefiel diese Idee ganz gut. Stattdessen arbeitete er an einem texanischen Akzent, pumpte seine schlanke Statur im Fitnessstudio zur massigen Erscheinung auf, verbarg seine Attraktivität unter Bart, Haar, Kappe und ging den zerstörerischen Kräften des Krieges auf den Grund. Ganz nebenbei schaute er Eastwood beim Regieführen über die Schulter, von dem er unter anderem lernte, die Proben immer mitzudrehen, weil sie die unersetzlich kostbaren ersten Versionen ­jeder Szene sind.

»American Sniper« (2014). © Warner Bros. Pictures

In seinem erstaunlich reifen Regiedebüt »A Star Is Born« verpasste er der bereits dreimal verfilmten Geschichte eines künstlerischen Generationenwechsels einen durchaus eigenen Stempel, mit vielschichtigen Gedanken zum Themenkomplex Künstlerexistenz, Inspirationslinien, Vergangenheitsbewältigung, Beziehungsdynamik, Erfolg und Ruhm, allesamt Themen, die ihm als Schauspieler vertraut, hier aber leicht verschoben ins Musikbusiness übertragen sind. Mit feinem Gespür für wahrhaftiges Spiel entdeckte er den Popstar Lady Gaga als aufregend durchlässige Schauspielerin, die umgekehrt das Kompliment zurückgeben konnte an Bradley Cooper, der den abgehalfterten Country-Rockstar Jack an ihrer Seite nicht nur spielte, sondern auch alle Songs live einspielte: »Oh, my God, he could be a rock star!«

Tatsächlich hatte er schon vorher, im »Katie«-Interview zu »Silver Linings«, die Musikalität des Schauspielens beschworen: »Das ist immer Musik und Rhythmus. Man spürt es, wenn man mit anderen Schauspielern dieselbe Melodie anstimmt, sich zum selben Song ergänzt.« Einen, zwei oder drei Oscars wäre das ­allemal wert.

»A Star Is Born« (2018). © Warner Bros. Pictures

Im Jahr seines Regiedebüts trat er auch ein zweites Mal in einem Film von Clint Eastwood auf. In »The Mule«, der jetzt bei uns ins Kino kommt, verkörpert er einen entschlossenen Drogenfahnder auf der Spur des betagten Drogenkuriers, den Eastwood selbst spielt.

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