Kritik zu Melodys Baby

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Wenn der Bauch einer anderen gehört: Dieses gefinkelte Kammerspiel über weibliche Wahlverwandtschaften führt das Thema der Leihmutterschaft ins Kino ein

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4 (Stimmen: 2)

Die eine will das Startkapital für ihren Friseursalon, die andere ein Baby, das sie auf natürlichem Wege nicht kriegen kann. So kommen die obdachlose Friseurin Melody, die sich via Internet als Leihmutter beworben hatte, und die britische Managerin Emily miteinander ins Geschäft. In einer ukrainischen Klinik werden der Leihmutter Emilys Jahre zuvor eingefrorene Eizellen eingepflanzt. Doch als sich diese bei Melody glücklich eingenistet haben, nistet sich auch die Schwangere, ungeplant, bei Emily ein.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis nach Sterbehilfe- und Behindertendramen die Konsequenzen neuer Fortpflanzungstechniken filmisch ausgeleuchtet werden würden. Auch dieses Frauendrama demonstriert, wie dank medizinischer Fortschritte im privaten Rahmen Fakten geschaffen werden, denen Gesetze und gesellschaftliche Diskurse hoffnungslos hinterherhinken. Doch das feinmodulierte Kammerspiel hält sich nicht nur kaum mit legalen Grauzonen und medizinischen Methoden auf. Königinnenlich werden alle moralischen Bedenken – und damit die meist männliche Deutungshoheit – ignoriert. Im Namen der Mutter, der Tochter und des Heiligen Geistes: Männer spielen in dem Schwangerschaftsdrama so gut wie keine Rolle, sieht man von Emilys Bruder, der kurz als Stimme der Vernunft auftritt, ab. Das macht bei der zunehmenden Abkoppelung des Mutterwerdens von Sex und Alter ja auch Sinn.

Erst durch den Wegfall fassbarer Erzeuger aber wird Raum für die Konzentration auf den emotionalen Reifeprozess dieser weiblichen Wahlverwandtschaft geschaffen. Weg fällt auch die Reduzierung der Figuren etwa auf das ideologisch befrachtete Klischee der skrupellosen Karrierefrau. Der Wille zum beruflichen Erfolg UND zum Kind gehen hier wortlos d’accord. Anfangs deutet die Handlung zwar einen Konflikt in der Art von Brechts »Kaukasischem Kreidekreis« an, in dem am Ende ein Richter der mütterlicheren Frau das Kind zuweist, doch das Geschehen driftet bald ins Unvorhersehbare. Der Belgier Bernard Bellefroid, der sich in seinem Vorgängerfilm La régate mit Vaterschaft befasste, fühlt sich nun mit einem intelligenten Drehbuch in die psychologischen und realen Fährnisse von Kindersehnsucht und Mutterschaft ein. Zwischen Wünschen und Bedürfnissen, kommendem Tod und neuem Leben entspannt sich ein dramatisches Spiel mit wechselnden Rollen. Wenn es um Zahlen und Planen geht, ist interessanterweise englisch die Sprache der Wahl; geht es um das spontane Bauchgefühl, verfällt auch Emily (die in Belgien aufwuchs), ins Französische.

Die Entwicklung ist nicht frei von kitschigen Ausrutschern. Doch die großartigen Darstellerinnen und besonders die poetische und sinnliche Inszenierung, die mehr mit Bildern als mit Worten erzählt, können dieses hochemotionale Schlingern beglaubigen. So scheint jenseits einer vordergründigen Ratio rund ums gewollte und ungewollte Muttersein eine andere, archaische Logik auf. Und das Modethema Leihmutterschaft entpuppt sich lediglich als Anlass für eine subtile Studie weiblicher Befindlichkeiten.

Meinung zum Thema

Kommentare

Uns hat der Film emotional gut gefallen, die beiden Darstellerinnen haben das Thema toll rübergebracht. Berührt haben uns auch die Landschaften.
Können sie mir die Drehorte nennen? Das wäre toll. Vielen Dank

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