Kritik zu Satanische Sau

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Rosa von Praunheim lässt den Schauspieler Armin Dallapiccolla als Alter Ego auftreten. In einem Doku-Filmessay, der um Sex, Tod, schwules Leben und schließlich auch um die Politik des Autorenfilmers und Aktivisten kreist

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Die Guten sind naiv und dumm und die Bösen nicht ihr Gegenteil, sondern sie kommen aus einem gesonderten Topf. So oder so ähnlich lässt sich eine der vielen Sentenzen auf den Punkt bringen, die diesen Film durchziehen wie nackte Hintern und erigierte Plastikpenisse. Viele dieser Sätze beginnen wie Axiome oder Thesen und enden im Uneindeutigen. »Satanische Sau« ist wieder ein hoch autobiografischer Film und das ist diesmal sogar folgerichtig, denn um Filme über sich selbst zu machen, so sagte Rosa von Praunheim einmal, muss man die 80 überschritten haben. Rosa von Praunheim ist am 25. November 83 Jahre alt geworden, doch seine Gedankenwelt entspricht keinem Alter, ist auf ewig jung, wie der Teufel oder die satanische Sau. Von einem künstlerischen Nachlass zu sprechen, wäre aber in jedem Fall verfrüht. Nicht nur deshalb hat er den Schauspieler Armin Dallapiccola gebeten, unter dem Pseudonym Armin Peter von Mehl als sein Alter Ego aufzutreten, verweigert ihm dann aber die komplette Identifikation. Jenseits des Verwirrspiels steht Armin einfach nur für einen dicken, alten, schwulen Mann. Immer wieder kommen Momente aus seinem eigenen wahren Schauspielerleben vor, vermischen sich mit der Biografie Rosa von Praunheims und man weiß nie, wer nun was sagt. So werden alle Äußerungen zu Statements einer ganz eigenen Provenienz. Nichts ist eindeutig in diesem Film, aber alles nachvollziehbar, nichts moralisch allgemeingültig und doch ist alles, was die Akzeptanz angeht, hoch anspruchsvoll. Rosa rotzt in wenigen Einstellungen raus, was seine Gedanken und Gefühle bewegt, unzensiert und unbeeindruckt. Denn wenn man ihm schon vorwerfen will, sich mit seinen Filmen immer nur an sich selbst oder seine unverbrüchlichen Fans zu wenden – selbstverliebt ist er nicht. Denn sein Spiel mit Klischees und Tabus, die Art, einem nicht näher beschriebenen Establishment eine schwule Gegenwelt vor die Füße zu werfen und sich dann daraus zurückzuziehen, ist kunstvoll trashig und in jeder Hinsicht einzigartig.

Und dann wird das Ganze mit Fragmenten der Wirklichkeit vermischt, mit seinem Auftritt in Holger Weinerts »Waschsalon« und anderen Talkshows, in denen er begann, Homosexuelle wie Alfred Biolek oder Hape Kerkeling gegen ihren Willen zu outen. Das politische Ziel über das Persönlichkeitsrecht zu stellen – das haben ihm damals wie heute viele übel genommen. Deshalb ist die »Satanische Sau« auch ein Dokument der Selbstentblößung, frech, frivol und ungehemmt schwul, aber nie pornografisch. Denn es geht Rosa von Praunheim nicht darum, erotisch, sondern nur gedanklich zu erregen; er sucht das Raue, das Ungeschönte, das grell überschminkte Farblose. Es ist ein Film, der Authentizität vor cineastische Perfektion stellt und damit ebenso verstört wie amüsiert, der von schwulem Leben und Überleben handelt und davon, dass es da noch viel mehr gibt, das sich zu erzählen lohnt. Egal ob man es sehen will oder nicht. Bei der 75. Berlinale wurde »Satanische Sau« mit dem Teddy Award ausgezeichnet.

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