DVD-Tipp: »Die Straße« (1923)

»Die Straße« (1923). © Edition Filmmuseum

© Edition Filmmuseum

Bildmächtige Sehnsucht

»Die Straße ist ein rätselhafter Anreiz, wollüstige Verführung für jene armseligen Teufel, die der Monotonie ihres nüchternen kleinbürgerlichen Daseins müde, ihres engen, dumpfen Heims überdrüssig sind und die Abenteuer, Flucht vor sich selber suchen.« Mit diesen Worten charakterisierte die Filmkritikerin und -historikerin Lotte Eisner die Gattung des »Straßenfilms«, integraler Bestandteil des Kinos der Weimarer Republik. 1923 drehte Karl Grune »Die Straße. Der Film einer Nacht«, jetzt liegt er in der verdienstvollen »Edition Filmmuseum« als 2023 vom Filmmuseum München unter Leitung von Stefan Drößler restaurierte Fassung vor. Ein bildmächtiger Film mit nur wenigen Zwischentiteln.

Erzählt wird von einem kleinen Bankangestellten, der die von seiner Ehefrau aufgetischte Suppe stehenlässt und sich nach einem sehnsuchtsvollen Blick aus dem Fenster auf die belebte Straße in deren nächtliches Getümmel stürzt. Aus der Begegnung mit einer attraktiven jungen Frau erwächst am Ende ein Mordverdacht gegen ihn, denn sie ist mit zwei Ganoven im Bunde. Als seine Unschuld erwiesen ist, kehrt er in der Morgendämmerung reumütig zu seiner Frau zurück. Sie verzeiht ihm.

Zu Beginn des nächtlichen Abenteuers verwandelt sich das Gesicht einer jungen Frau für Augenblicke in einen Totenkopf, bei der Entdeckung der Leiche breitet der Protagonist theatralisch die Arme aus, als befänden wir uns noch im Kino des Expressionismus, das der gänzlich im Studio gedrehte Film bald zugunsten von Realismus hinter sich lässt. Eher eine Kuriosität ist der beigegebene »Gefahren der Großstadt-Straße« (1924), entstanden mit Unterstützung der Münchner Polizei, der vor unvorsichtigem Verhalten im Straßenverkehr ebenso warnt wie vor Kriminellen. Wir erfahren, was ein »Leichenfledderer« macht und mit welcher Raffinesse Taschendiebe vorgehen. Durch die vielen Zeitrafferaufnahmen im ersten Teil darf sich der Zuschauer immer wieder an klassischen Slapstick erinnert fühlen. Ein 16-seitiges Booklet mit deutschen und englischen Texten gibt sowohl Auskunft über die zeitgenössische Rezeption als auch eine historische Einordnung.



Die Straße D 1923 R: Karl Grune. Da: Eugen Klöpfer, Aud Egede-Nissen, Anton Edthofer, Lucie Höflich, Max Schreck. Anbieter: Edition Filmmuseum.

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