Kritik zu Darkroom – Tödliche Tropfen

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Inspiriert von einem wahren Fall, ­entwirft Rosa von Praunheim das Psychogramm eines Mörders

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»Ich glaube, dass man heute auch böse Schwule zeigen kann, nachdem die Schwulenbewegung viel Positives verändert hat«, erklärt Rosa von Praunheim in seinem Kommentar zum Film. Der Regisseur macht sich seit Jahrzehnten für die LGBTQ-Bewegung stark, in seinen Werken und überhaupt. Mit »Darkroom« hat er nun so etwas wie den schwulen »Goldenen Handschuh« gedreht.

Wie Fatih Akins Film über den berüchtigten Frauenmörder Fritz Honka basiert auch von Praunheims »Darkroom« auf einer wahren Geschichte. Doch liegt hier der Horror nicht, wie im Handschuh, in grausamen Schlachtfesten eines saufenden Psychopathen, sondern in der undurchsichtigen Miene von Bozidar Kocevski. Der Theaterdarsteller spielt in seiner ersten Kinorolle jenen Mörder, der im Frühjahr 2012 innerhalb von nur drei Wochen drei Männer in Berlin umbrachte. Seine »Tatwaffe«: Liquid Ecstasy. Eine Droge zwischen Leben und Tod, an der das deutsche Kino eine Faszination gefunden zu haben scheint. Im Urban-Sex-Film »Yung« hauen sich die Protagonistinnen mit dem Rauschmittel die Nächte um die Ohren. Hier nun haut der ehemalige Krankenpfleger Lars, wie Kocevski im Film heißt, seine Opfer mit einer Überdosis aus den Socken.

Von Praunheim nimmt, wie Akin auch, die Perspektive des Täters ein. Die Ereignisse erschließen sich peu à peu aus einer mosaikartigen Struktur. Wir sehen Lars, festgebunden in einem sterilen Raum in der Isolierhaft. Von hier aus springt der Film seinen Erinnerungen folgend durch die Jahre und Jahrzehnte: Lars als Kellner in einer Schwulenbar in Saarbrücken, als er seinen langjährigen Freund Roland (Heiner Bomhard) kennenlernt; das Stelldichein mit seiner ersten Liebe im Schwimmbad; das Einrichten der gemeinsamen Wohnung mit Roland in Berlin; Lars beim Cruisen in einem Waldstück, wo er erstmals mit der Droge in Kontakt kommt; später dann die Morde an Bekannten und Zufallsbekanntschaften.

Von Praunheim haushaltet mit den Informationen und nutzt die unchronologische Erzählweise für »Aha«-Momente, in denen einzelne Puzzlesteine sich fügen. Doch nimmt gerade diese auf Suspense gebürstete Struktur dem Psychogramm viel seines Drives, lässt es ausfransen. Allerspätestens dann, wenn der Film zwischendurch in den Gerichtssaal zur Hauptverhandlung gegen Lars springt, die neben den Szenen aus der Isolierhaft die Rahmenhandlung bilden. Da ist man dann, zumindest gefühlt, für kurze Momente mitten in einer billigen Fernsehgerichtsshow.

Am stärksten ist von Praunheims Film, wenn er in sein Milieu eintaucht und sich auf die Beziehung zwischen den Männern und auf seinen schwer greifbaren Protagonisten konzentriert. Hier lebt »Darkroom« von den Stimmungen. Von einer bittersüßen etwa, als Lars und der Ukulele spielende Roland der Kamera entgegen durch ein Kolumbarium laufen, zum Grab eines toten Freundes. Und von leisem Horror, wenn wir den Mann mit den zwei Gesichtern immer weniger begreifen. Diesen nicht unsympathischen Kerl, der still auf den letzten Lebenshauch seiner Opfer wartet und für die schwindenden Seelen sogar das Fenster öffnet.

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