Robert Redford – Ein Löwe in Hollywood
Foto: Robert Redford in »The Old Man & the Gun« (2018). © DCM
Er hat für eine bessere Welt gearbeitet: als Schauspieler, als Regisseur, als Mensch. Mit Robert Redford hat das Kino einen Star verloren, der auf einzigartige Weise glaubwürdig war, vor und hinter der Kamera
Die kantigen Züge, das blonde Wuschelhaar, der konzentriert ruhige Blick aus blauen Augen, das unwiderstehliche Lächeln, dessen Wirkung er kannte, aber nie ausschlachtete: Robert Redford war der letzte der wirklich Großen, Golden Boy und Ikone des New Hollywood. »Ein Mann wie das Land, in dem er lebte«, hieß es treffend über seinen Part in »So wie wir waren«. Für Redford war damit weniger Hollywood gemeint, in dessen Nähe er geboren wurde, wo er berühmt wurde, als seine Wahlheimat Utah. Kein idealisiertes Amerika, sondern ein Land mit Fehlern, Makeln und Sünden, an deren Aufdeckung er als Schauspieler, Regisseur und Mensch unermüdlich arbeitete.
Es war ein Leben voller Widersprüche: Zwischen Nahbarkeit und Distanz. Zwischen der Aufregung, die um ihn gemacht wurde, und der in sich ruhenden Lässigkeit seines Auftretens. Zwischen dem Trubel der Filmmetropole und der Einsamkeit auf seiner Ranch in Utah. Zwischen dem Star in Hollywood und dem Cowboy in der rauen Landschaft. Doch all diese Widersprüche hat er in der Integrität seiner Existenz aufgelöst. Man würde ihm zutrauen, dass er vor der Kamera nie einen Satz gesagt hat, den er nicht auch als Mensch hätte vertreten können, was wohl auch damit zu tun hatte, dass die Studios ihn aufs Golden-Boy-Image festgelegt haben, ihm die finsteren Seiten nicht geben wollten: Sam Spiegel hielt es für absurd, dass er in »Nikolaus und Alexandra« gern Rasputin gespielt hätte, Andrew Lloyd Webber konnte sich nicht vorstellen, dieses berühmte Gesicht hinter der Maske des Phantoms in der Oper zu verstecken, und ein Filmprojekt, in dem er die Rodung des Regenwaldes anprangern wollte, kam 1981 nicht zustande, weil er den Geschäftsmann spielen wollte, der am Ende stirbt. Statt Schurken zu spielen, konzentrierte er sich auf aufrechte Männer mit unterschwelligen Geheimnissen.
Geboren wurde Charles Robert Redford Jr. am 18. August 1936 im kalifornischen Santa Monica; er wuchs in einfachen Verhältnissen auf, nicht wirklich arm, aber auch nicht wohlhabend. In der Schule galt er als aufmüpfig, sein Unistipendium verlor er wegen Trunkenheit, später erzählte er, dass das Schauspiel sein Leben gerettet habe. Zuvor reiste er durch Europa, mit der vagen Idee, Künstler zu werden. Zum Schauspiel kam er fast zufällig: »Ich hatte das nicht erwartet, aber etwas hat geklickt und es fühlte sich einfach gut an.« Redfords Karriere begann 1959 im Fernsehen und am Broadway, der erste größere Erfolg war die Bühnenversion von Neil Simons romantischer Komödie »Barfuß im Park«, der vier Jahre später eine Verfilmung mit Jane Fonda folgte.
Redford prägte das Kino des New Hollywood, angefangen mit George Roy Hills »Butch Cassidy and the Sundance Kid«, dem Film, der ihn zum Star machte und im Wilden Westen ein neues, verspielteres, verletzlicheres Männerbild etablierte. Die Produzenten wollten eigentlich Steve McQueen, Warren Beatty oder Jack Lemmon – Paul Newman setzte sich für Redford ein. Auch im zweiten gemeinsamen Film »Der Clou« spürt man die ansteckende Spielfreude; später erzählte Redford, dass er fast ein schlechtes Gewissen hatte, dafür bezahlt zu werden.
Immer wieder verkörperte Redford den All-American-Man, der es mit übermächtigen Kräften aufnimmt, mit den Pinkerton Detektiven in »Butch Cassidy and the Sundance Kid«, mit Grizzlys in »Jeremiah Johnson«, mit dem korrupten politischen System in »The Candidate«, mit der irischen Mafia in »Der Clou«, mit der CIA in »Die drei Tage des Condor« und »Spy Game«, mit dem US-Präsidenten in »Die Unbestechlichen« und der Aluminiumindustrie in »Der Elektrische Reiter«. »Ein Mann wie das Land, in dem er lebt«: 1973 war dieser Satz noch ein Kompliment. »Ich bin ein Produkt des Landes, in dem ich lebe, und ich liebe mein Land«, sagte Redford ein Vierteljahrhundert später im SZ-Interview: »Alle Filme, die ich gemacht habe, handeln vom amerikanischen Leben in unterschiedlichen Formen, in der Familie, im amerikanischen Westen, in der Politik, im Sport, in der Unterhaltung. Sicher kann man sagen, dass ich mein Land verstehe, in seinen guten wie schlechten Seiten.«
Und Robert Redford hat viel getan, damit es besser wird, immer wieder hat er die Themen, die ihn persönlich beschäftigt haben, auf die Leinwand getragen, indem er Alan J. Pakula zur Verfilmung der Watergate-Affäre anstiftete und viele Jahre später unter eigener Regie in »Von Löwen und Lämmern« drängende Fragen zur politischen Verantwortung verhandelte, ein Film, in dem der Darsteller mit der schweigsamen Intensität als Uniprofessor mal wirklich viel Text hat. Als J. C. Chandor dem 77-jährigen Redford das Drehbuch zu »All Is Lost« gab, gefiel ihm das Konzept sofort: Ein alter Mann im Segelboot auf dem Meer, wie so oft allein gegen übermächtige Gewalten.
Redford wollte etwas von dem zurückgeben, das er bekommen hatte, nicht nur, indem er als Darsteller und Regisseur Wahrheiten ans Licht brachte, sondern auch als Aktivist für LGBTQ+, Gleichberechtigung und Umweltschutz. Und als Gründer des nach seiner berühmten Rolle benannten Sundance-Festivals, eine Spielwiese fürs Independent-Kino, Startrampe für Karrieren von Regisseuren wie Steven Soderbergh, Quentin Tarantino oder den Coen Brothers.
Ein Löwe sei gestorben, hat seine Kollegin Meryl Streep über ihn gesagt, als am 16. September die Nachricht von Redfords Tod die Filmwelt erschütterte, und sie muss es wissen, denn sie hat ihn in der Karen-Blixen-Verfilmung »Jenseits von Afrika« als Großwildjäger erlebt, inszeniert von Sydney Pollack, der wusste, dass im Kino die gescheiterten Liebesgeschichten viel länger nachwirken: »Die Paare, die am Ende in den Sonnenuntergang laufen, vergisst man schnell, weil man sich um sie ja nicht mehr sorgen muss. Wenn zwei Menschen nicht zusammenkommen, vibriert dieser unüberbrückbare Raum zwischen ihnen im Kopf weiter. Die Geschichten, die mich zu Tränen rühren, sind immer die, die nicht funktionieren.« So ging es in Pollacks Filmen oft um einen Mann und eine Frau, die sich tief berühren, und doch keine Chance auf eine gemeinsame Zukunft haben, weil sie durch kulturelle, philosophische oder moralische Ansichten getrennt sind. Redford verkörperte darin Variationen des All-American-Hero, der das Abenteuer, die Freiheit, die Einsamkeit zu sehr liebt, um sich an einen Ort und eine Frau zu binden.
Begegnet waren sich Pollack und Redford 1962 als angehende Schauspieler beim Dreh von »Hinter feindlichen Linien«. Verbunden waren sie im Interesse an gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen, im Amerika der Depression, in der Paranoia der 70er, im Kenia der ausgehenden Kolonialzeit, im Kuba der Revolution … Gemeinsam waren sie auf der Suche nach darstellerischer Wahrhaftigkeit und thematischer Wahrheit, verdichtet im wiederkehrenden Schlüsselsatz »Do you think, not getting caught in a lie is the same thing as saying the truth?« (den Redford in »Die drei Tage des Condor« sagen durfte). Die Wahrheit sei das Rückgrat jeder Rolle, fand Pollack: »Es muss so aussehen, als ob man durchs Schlüsselloch schaut und nicht, als würde man auf einer Bühne auftreten.« Redford beherrschte diese entspannte Coolness vor der Kamera, das »Einfach-nur-sein«, ohne etwas beweisen zu müssen: Sein Gesicht war eine emotionale Landschaft, so natürlich und subtil, dass die Academy ihm nie einen Oscar als Darsteller verlieh. Was Redford mit Pollack als Schauspieler begonnen hatte, führte er auch als Regisseur weiter, angefangen 1980 mit »Eine ganz normale Familie«. Das Drama um eine Familie, die mit dem Tod eines Sohnes und Bruders ringt, brachte ihm den Regie-Oscar ein; 2002 bekam er den Preis fürs Lebenswerk.
Seinen Lieblingsschauspieler beschrieb Pollack im Vergleich mit einem großen Kollegen: »Dustin Hoffman und Robert Redford sind sehr talentierte Schauspieler, die völlig unterschiedlich arbeiten: Wenn Hoffman zehn Dollar hat, gibt er sie komplett aus. Wenn Redford zehn hat, gibt er nur sechs aus und als Zuschauer willst du unbedingt noch die restlichen vier bekommen.« Sieben Filme haben Pollack und Redford in vier Jahrzehnten gedreht, und es wären vielleicht noch ein paar mehr geworden, wäre der Regisseur nicht so früh gestorben. Man könnte sich gut vorstellen, dass sie gerade da oben im Himmel von Hollywood einen Film aushecken, über die Erosion der Wahrheit, die sie schon 50 Jahre vor Trump angeprangert haben.
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