DVD-Tipp: »Die drei Tage des Condor«

»Die drei Tage des Condor« (1975). © Studiocanal

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Zeit des Zweifels

Erstaunlich ist die Erkenntnis, wie sich ideologische Erzählung in den letzten 45 Jahren um 180 Grad drehen kann. Sydney Pollacks »Die drei Tage des Condor« gehört zur Reihe von Paranoiathrillern, die das US-Kino in der ersten Hälfte der 1970er an den Zeitgeist des Misstrauens, der Enttäuschung anschlossen: Die Welle des Aufbruchs aus den 1960ern brach, Pentagon Papers und Watergate-Skandal beherrschten die Debatten, und 1975 untersuchte ein Senatsausschuss die illegitimen Praktiken der CIA, zeitgleich zu Pollacks Film. Darin kehrt Joe Turner, gespielt von Robert Redford, vom Mittagessenholen ins Büro zurück – und alle Kollegen sind tot. Professionell gekillt: Die American Literary Historical Society ist eine Tarn-Filiale der CIA, hier werden Bücher gelesen, Informationen gesammelt, Kriminalhandlungen verknüpft, Fiktion auf Wirklichkeit abgeklopft. Der Bücherwurm Turner, Deckname Condor, stößt mitten hinein in ein geheimes Netzwerk innerhalb der CIA; es geht um Öl und um die Destabilisierung ferner Staaten, Turner merkt, dass er keinem trauen kann, und weiß, dass ein Killer hinter ihm her ist, im Auftrag des eigenen Arbeitgebers. Redford ist hervorragend, was sonst, ebenso Faye Dunaway, die er per Zufall aufliest (auch wenn die Liebesszene dann doch etwas zu aufgesetzt wirkt). Vor allem der Killer ist ikonisch: Max von Sydow spielt diesen Elsässer (!), der intelligent ist, freundlich, mitfühlend gar und dabei stolz auf sein Handwerk.

Wenn Pollack im – vor 20 Jahren aufgenommenen – Audiokommentar beklagt, dass die im Film gezeigte Technik so veraltet ist (damals aber state of the art war, bis hin zum Hacken des Telefonnetzes), kommt doch eigentlich ein ganz anderes Moment in den Sinn: 1975 kam das – begründete – Misstrauen gegenüber dem Staat von linker, von liberaler Seite. Heute wälzen sich die Rechtspopulisten und Reaktionärfaschisten im Schlamm der Verschwörungsmythen um »Politestablishment« und »Deep State« – ein bemerkenswerter Wandel: Die reale Bedrohung durch Realpolitik ist verkommen zu verdrehtem Sündenbock-Geschwurbel der »besorgten Bürger« und Ewiggestrigen.


Three Days of the Condor USA 1975. R: Sydney Pollack. Extras: Regiekommentar, Feature Paranoiakino. Anbieter: Studiocanal.

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