Mubi: »Eight Postcards from Utopia«

OmeU © IDFA

2024
Original-Titel: 
Opt ilustrate din lumea ideală
Heimkinostart: 
01.08.2025
V: 
L: 
71 Min
FSK: 
16
Die Kunst der Reklame

Die erste halbe Stunde im Kino vor Filmbeginn nervt. Vor allem wegen der Reklamespots. Werbetreibende wissen das nur zu gut. Daher erteilen sie Regievirtuosen den Auftrag, Werbung witzig und aussagekräftig zu gestalten. So drehte Ridley Scott den ikonischen Apple-Spot »1984« und Größen wie David Fincher, Spike Jonze und Tarsem Singh warben vor ihrer Leinwandkarriere für Nike, Coca-Cola und Levi's.

Dass Werbung auch etwas mit Kunst zu tun haben kann, sprach sich herum. Ab Ende der 1980er Jahre wurde die alljährliche Blütenlese der Cannes-Rolle gar zum Publikumsmagnet. Fake-Spots in frühen Almodóvar-Werken – etwa Carmen Maura, die als Mutter des Serienmörders den verblüfften Polizisten die mit »Ecce Omo« blütenweiß gewaschene Weste ihres Sohnes präsentiert – sind kultig und subversiv.

So ziemlich das Gegenteil versuchte Harun Farocki mit seiner akribischen Werbeclip-Zusammenstellung »Ein Tag im Leben der Endverbraucher« von 1993 zu zeigen. Rund um die Uhr werden wir zu Marionetten der geheimen Verführer, die unsere Wünsche und Sehnsüchte bis ins kleinste Detail durchdeklinieren. Eine ähnliche Perspektive nimmt »Eight Postcards from Utopia« ein. Radu Jude, der neben gesellschaftskritischen Filmen auch selbst TV-Spots realisierte, kompilierte gemeinsam mit dem Medienwissenschaftler Christian Ferencz-Flatz TV-Spots, die zwischen den frühen 1990ern und 2000ern entstanden, zu einem analytischen Essay.

Wie sollte man dabei nicht an Ilinca Calugareanus genialen Dokumentarfilm »Chuck Norris und der Kommunismus« denken? Calugareanu zeigt Rumänen, die gegen Ceaușescus Diktatur aufbegehrten. Und zwar, indem sie auf klandestinen Wohnzimmertreffen auf Video eingeschmuggelte Hollywood-Actionfilme schauten, die die glitzernde Welt des westlichen Kapitalismus feiern. Nicht zufällig taucht Ceaușescu in »Eight Postcards from Utopia« wieder auf: als Gespenst in einem postsozialistischen Werbefilm. Während einer monotonen Ansprache des Diktators klingelt das Handy eines Vasallen, der daraufhin den Saal und sinnbildlich auch die Diktatur verlässt: »Erst hast du das Recht auf freie Rede erworben, jetzt redest du auch umsonst«, lautet der Slogan eines Telefonanbieters.

Nicht alle Spots haben diesen Esprit. Meist geht es um die Niederungen der Markenartikel. Angepriesen werden Würstchen, dann ein Abführmittel, »das sich an die Verkehrsregeln des Organismus hält«. Zu sehen ist ein Radfahrer, der brav den Schildern folgt. Hin und wieder verblüfft das Kaleidoskop aber mit wunderbar skurriler Reklame, die unter anderem den Draculapark anpreist.

Wenn aber der Werbesprecher einer Versicherung minutenlang immer wieder den Spruch wiederholen muss: »Wir streben alle danach, Ihr Geld zu vermehren«, dann vermittelt sich die Botschaft etwas zu plakativ. Nicht umsonst bringt es die Sammlung der Clips nur auf 70 Minuten. Für ein 90-minütiges Format ist das Konzept nicht durchdacht genug.

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