Kritik zu Peter von Kant

© MFA+ Filmdistribution

2022
Original-Titel: 
Peter von Kant
Filmstart in Deutschland: 
22.09.2022
L: 
85 Min
FSK: 
16

François Ozons schwule Neuinterpretation von Rainer Werner Fassbinders Kammerspielmelodram »Die bitteren Tränen der Petra von Kant« ist Remake und Hommage zugleich

Bewertung: 3
Leserbewertung
0
Noch keine Bewertungen vorhanden

Der Titel ist Programm. »Peter von Kant« nennt François Ozon seinen Film nach dessen Protagonisten, als Hommage an das große Vorbild Rainer Werner Fassbinder. Dieser hatte mit »Die bitteren Tränen der Petra von Kant« 1972 eine lesbische Dreiecksgeschichte als hochartifizielles Kammerspiel inszeniert, das verklausuliert autobiographische Züge trug. Ozon macht es ein halbes Jahrhundert später noch deutlicher: Aus der Modeschöpferin Petra wird nun der schwule Starregisseur Peter (Denis Ménochet), der einst große Erfolge feierte, aber schon lange keine zündende Idee mehr hatte. 

Peter von Kant lebt in einem mondänen Loft in Köln, zusammen mit seinem Sekretär Karl (Stefan Crépon), den er wie einen Leibeigenen schikaniert und ausbeutet. Als seine gute Freundin und Schauspielmuse Sidonie (Isabelle Adjani) ihm den bildhübschen, aber mittellosen Amir (Khalil Ben Gharbia) vorstellt, der von einer Filmkarriere träumt, verliebt sich von Kant Hals über Kopf in den Jungen. Enthusiastisch bietet er Amir nicht nur an einzuziehen, sondern ihn auch gleich beim Film groß rauszubringen. Tatsächlich wird Amir schnell zum Star, lässt seinen Gönner prompt fallen und den Ausgenutzten und bitter Enttäuschten allein zurück. 

Ozon behält das Theatrale der Vorlage bei, die selbst auf einem Bühnenstück beruhte. Die Handlung verlässt das Apartment nie, nur zu Beginn jeden Akts gibt es eine kurze Außenansicht. Die opulente Ausstattung ist tadellos, an den Wänden hängen fiktive Filmplakate, die auf bekannte Fassbinder-Werke anspielen, ebenso wie der Song »In My Room« der Walker Brothers, der in beiden von Kant-Versionen ertönt. Auch Denis Ménochets Statur und seine Kostüme verweisen überdeutlich auf das Idol. Ozon lässt keinen Zweifel, dass er in dem weinerlichen Egomanen ein Alter Ego des Enfant terrible des Neuen Deutschen Films sieht. Und wartet schließlich mit einem hübschen Auftritt von Fassbinder-Muse Hanna Schygulla auf. Sie hatte in den Original-»Tränen« die junge Karin gespielt, das fatale Objekt der Begierde. Hier erscheint sie nun als Peter von Kants Mutter, als würde sie so dem Projekt in RWFs Namen den Segen geben.

Doch wozu braucht es diese Neuinterpretation, außer der persönlichen Reminiszenz Ozons? Klar wird das in diesen kurzen 85 Minuten nie so recht. Von der schillernden Mehrdeutigkeit der Vorlage ist ebenso wenig übriggeblieben wie von der emotionalen Intensität der sadomasochistischen Machtstrukturen. Ozon behauptet eher und stellt aus, als sich wirklich auf den Schmerz der toxischen Abhängigkeiten einzulassen. Auch der Tonfall von Fassbinders Kunstdeutsch überträgt sich nur bedingt ins Französische. »Jeder tötet, was er liebt«, singt dann Isabelle Adjani, als hätte es uns Ozon nicht schon mehrfach gezeigt. Auch das eine Anspielung auf Fassbinder, allerdings aus einem anderen Film. Das Lied mit dem Oscar-Wilde-Zitat hatte 1982 Jeanne Moreau in der Jean-Genet-Verfilmung »Querelle« gesungen, Fassbinders legendärem letztem Film.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt