Kritik zu Zweigstelle
Eberhofer trifft Kafka im Jenseits: Das Kinodebüt von Julius Grimm hat eine nicht ganz neue, aber brauchbare Grundidee und eine starke Besetzung in den Nebenrollen
Von der Wiege bis zur Bahre – Formulare, Formulare. Von wegen. Nach dem Ableben geht die Bürokratie erst richtig los. Diese Erfahrung machen vier Freunde, die überrascht in der Zweigstelle Süddeutschland III/2 landen. Sie ahnen noch nicht, dass sie tot sind und das endgültige Nichts auf sie wartet. Aber das spielt zunächst keine Rolle. Denn erst einmal müssen sie eine Wartenummer ziehen.
Nach dem TV-Beitrag »Bernegger & Juric – Die Kommissare« realisierte Julius Grimm mit der schwarzen Komödie »Zweigstelle« sein Kinodebüt. Das Jenseits erweist sich als typisch deutsche Behörde. Hier wollten Resi (Sarah Mahita) und ihre Freunde Sophie (Nhung Hong), Philipp (David Ali Rashed) und Mel (Beritan Balci) eigentlich gar nicht hin. Sie waren dabei, den letzten Willen ihres besten Freundes zu erfüllen, der wollte, dass man seine Asche auf einem Berg verstreut. Dummerweise geraten die vier dabei in einen tödlichen Unfall. Nun stehen sie, gekleidet in weiße Feinrippunterwäsche, vor der zickigen Empfangsdame. Und die macht, genau, erst einmal Mittagspause.
Die Idee, das Leben nach dem Tod als absurden bürokratischen Verwaltungsakt darzustellen, ist nicht ganz neu. Man denke an Tim Burtons »Beetlejuice«. Julius Grimm, der zusammen mit Fabian Krebs auch das Buch schrieb, setzt neue Akzente. »Zweigstelle« verknüpft das Sujet der schwarzen Komödie mit Motiven des neuen Heimatfilms. Nicht zufällig treffen die vier toten Seelen auf Luise Kinseher und Johanna Bittenbinder, zwei Darstellerinnen, die in diesem Genre populär wurden.
Wunderbar überdreht verkörpern die beiden zwei überforderte Bürodamen, die sich beim Chef beklagen. Im Schnitt nur acht Minuten pro Fall haben sie Zeit, um herauszufinden, ob bei ihnen vorstellige Tote in ihrem Leben überhaupt an etwas geglaubt haben. Diese Übersetzung des Todes in eine amtliche Routine gelingt aber nicht durchweg. Glanzlichter setzt der Film, wenn sich Rainer Bock als metaphysischer Hausmeister um die Wartung des »Nichts« kümmert. Seelen, die nachweislich an nichts geglaubt haben, verschwinden nämlich für immer in diesem Orkus. Normalerweise nichtet das Nichts (wie Heidegger sagt). Das tut es hier aber nicht. Alles klar?
Neben Rainer Bock fallen Sarah Mahita, Nhung Hong, David Ali Rashed und Beritan Balci leider etwas ab. Was weniger daran liegt, dass sie noch schneller nuscheln, als man das in deutschen Filmen ohnehin gewohnt ist. Die Figuren dieser vier unbedarften jungen Menschen, die mitten aus dem Leben gerissen und mit den letzten Dingen konfrontiert werden, haben zu wenig Substanz. Und so plätschert der Film nach starkem Beginn alsbald dahin.
In seinen stärkeren Momenten erinnert die posthume Seelenverwaltung an eine Mischung aus Terry Gilliams »Brazil« und einem Szenario von Wes Anderson. Die Grundidee, das Flair eines Eberhofer-Krimis auf die Absurdität eines kafkaesken Prozesses prallen zu lassen, versprüht zwar einen gewissen Charme. So ganz ausgereift ist diese Idee aber nicht. Mit dem Auftritt zweier exaltierter Leichenwagenfahrer gleitet der Film zuweilen gar ins Schenkelklopfen ab.
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