Kritik zu Wildes Herz

© Neue Visionen Filmverleih

Antifa-Arbeit vor Ort: Charly Hübner und Sebastian Schultz porträtieren die Mecklenburger Band »Feine Sahne Fischfilet«

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Sie genießen den Ruf, »die gefährlichste Band Vorpommerns« zu sein, sie heißen »Feine Sahne Fischfilet« und sie sind Gegenstand der Dokumentation »Wildes Herz«, mit der der allseits geschätzte Schauspieler Charly Hübner in Koregie mit Sebastian Schultz sein Langfilm-Regie­debüt vorlegt. »Feine Sahne Fischfilet« spielt aufrechten Punkrock mit Ska-Einflüssen, der das Publikum zu wildem Pogo-Getobe veranlasst, das wiederum den Frontmann der Combo zum Stage-Diving animiert. Ein bei seiner, hm, eher korpulenten Statur nicht ganz risikoloses Unterfangen. Jedenfalls lässt sich Jan »Monchi« Gorkow von den Fans auf Händen übers Gewühl tragen und klatscht dabei genüsslich auf seine beeindruckende Wampe. Zurück auf der Bühne geht es weiter im Text beziehungsweise Klartext: Die Neonazi-Schweine gehören weggehauen und die kollaborierenden Bullen gleich mit! Tja, Monchi nimmt eben kein Blatt vor den Mund. Weswegen es der Verfassungsschutz auch für geboten hielt, den angeblich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichteten Umtrieben der Band in den Berichten der Jahre 2011 bis 2014 vergleichsweise breiten Raum zu geben. Der alte Sager vom blinden rechten Auge fällt einem ein, hat Mecklenburg-Vorpommern doch seit langem eher mit neofaschistischen als mit linksextremen Bestrebungen zu kämpfen.

Die Mitglieder von »Feine Sahne Fischfilet« jedoch, allesamt gebürtige Meck-Pommer, wollen das Feld nicht den Erzreaktionären, den Skinheads, der NPD, der AfD überlassen. Und Hübner, im südlichen Mecklenburg beheimatet, offenbar auch nicht; das »wilde Herz« schlägt links und zeigt klare Kante. So unverschnörkelt und bodenständig wie sein Gegenstand ist auch der Film, eine nüchtern-kunstlose Montage aus Interviews, Konzertmitschnitten, Homemovies und Archivaufnahmen, die das chronologische Porträt eines instinktiven Aktivisten ergibt. Denn im Zentrum steht Frontmann Monchi, weil es sein Herz ist, das dem Film den Titel gibt, weil er nunmal die größte Klappe hat, weil er über eine mitreißende Energie verfügt und weil er, der früher als Hansa Rostock-Ultra Rabatz machte, tatkräftig schon mal hinlangt, wo andere erst noch rumüberlegen.

Beispielsweise indem er in Hinblick auf die Landtagswahl 2016 – bei der die AfD schließlich zweitstärkste Partei werden wird – unter dem Motto »Noch nicht komplett am Arsch« eine Kampagne startet. 43 Wochen war die Band seinerzeit unterwegs, um auf kulturellen Veranstaltungen gegen Rechts zu mobilisieren. Diese Tour liegt im Fokus des Films; wobei deutlich wird, dass die Jungs von »Feine Sahne Fischfilet« nicht nur von der Bühne herunter polemisieren, sondern ihren Worten Taten folgen lassen und den Rechten im Land die Räume streitig machen, gerne auch in ihren Hochburgen. Das ist dann alles wenig diplomatisch und schon gar nicht ist es gemäßigt im Ausdruck, aber »Wildes Herz« ist nicht zuletzt ein Dokument konkreter Antifa-Arbeit vor Ort und hat darin den Charakter eines, angesichts der politischen Großwetterlage so notwendigen wie dringlichen Appells. Oder, wie Monchi es ausdrückt: »Den Arsch hochkriegen, Loide!«

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