Kritik zu Wiedersehen mit Brideshead

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Als Fernsehmehrteiler war die Verfilmung des Evelyn-Waugh-Romans 1981 ein gefeiertes Ereignis, das Jeremy Irons zum Star machte. Julian Jarrold versucht sich nun an einer Kinofassung mit Mathew Goode

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Die »göttliche Gnade« sah Evelyn Waugh im erfolgreichsten seiner 13 Romane am Werk, eine überirdische Macht, die ebenso genüsslich wie grimmig Schicksal spielt. »Brideshead Revisited«, verfasst gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, gleicht denn auch einer kunstvollen Versuchsanordnung, in der so ziemlich alles kollidiert, was in einem historischen Gesellschaftsdrama aufeinanderprallen kann: Mittelschicht und Aristokratie, Atheismus und Religion, Jung und Alt, Ordnung und Subversion, Homoerotik und Heterosexualität. Ein komplexes, ein üppiges, ein ausladendes Buch, das 1981 als Vorlage für eine inzwischen legendäre Fernsehserie diente. Es war nur eine Frage der Zeit, wann sich auch das Kino Waughs Klassiker annehmen würde, haben literarisch geprägte »period pictures« in Großbritannien doch dauerhaft Hochkonjunktur.

Gemeinsam mit Joe Wright zählt Julian Jarrold zu jenen englischen Filmemachern, die frischen Wind in das traditionell eher angestaubte Genre gebracht haben. Mit seiner spekulativen Austen-Biografie »Geliebte Jane« erwies sich Jarrold zuletzt als gefühlvoller Ästhet, dem die innere Wahrheit einer erfundenen (zumindest mächtig ausgeschmückten) Story mehr am Herzen liegt als die äußeren Daten der tatsächlichen Geschichte. Ähnlich wie Wright setzt er aufs opulente filmische Erzählen, ohne freilich die atemraubende (Kamera-)Virtuosität seines Regiekollegen ganz zu erreichen. »Wiedersehen mit Brideshead« verhält sich nun in etwa so zu »Geliebte Jane« wie Wrights »Abbitte« zu dessen »Stolz und Vorurteil«: durchaus ebenbürtig in visueller Hinsicht, aber bewusst ernsthafter, »seriöser« – und etwas verkrampft in seinem Kunstanspruch.

Jarrold und seine Autoren übernehmen die verschlungene Rückblendenstruktur des Romans und verleihen den Ereignissen so von Anfang an eine Atmosphäre von Melancholie. Charles Ryder (Matthew Goode), einst Oxford-Student aus mittleren Verhältnissen, im Krieg Offizier und später gefeierter Maler, schaut zurück auf seine vielschichtige Beziehung zum Klan der Marchmains. Diese sind, feudales Anwesen, exzentrische Ticks und rigoroses Wertesystem inklusive, Exemplare einer aussterbenden Spezies, Repräsentanten des untergehenden Empires.

Alles beginnt mit der Männerfreundschaft zwischen Charles und dem kapriziösen Sebastian Flyte (Ben Whishaw), der Charles das Entree zur schillernden High-Society-Welt von Brideshead verschafft. (In Woody Allens vielgelobtem »Match Point« spielte Goode noch selbst den Sohn aus gutem Hause, der gönnerhaft dem einfachen Mann aus dem Volk den Zutritt zur höheren Klasse ermöglicht; hier wirkt er überfordert.) In dieser Phase schwelgt der Film in sommerlicher Leichtigkeit und einer Ahnung von bevorstehender Verführung, aber noch ehe das Verhältnis der beiden Jünglinge so recht geklärt werden kann, verkompliziert sich die Lage durch das sukzessive Eintreffen der übrigen Familienmitglieder, bis Charles schließlich das winterliche Schneetreiben ins Gesicht weht. Schwester Julia (Hayley Atwell) erweitert das Duo zum romantischen Dreieck; Lady Marchmain (Emma Thompson) fungiert als eisige Ordnungshüterin und Antagonistin; Lord Marchmain (Michael Gambon) gibt, in einer etwas zu schwülstigen Venedig-Episode, den dekadenten Lebemann und entmachteten Patriarchen.

Dabei geht der Film seltsam additiv vor: Jede Figur erweitert das erzählerische Spektrum um neue Aspekte und weitere Themen, die allesamt berührt und wieder abgehakt werden, sich aber kaum zu einer schlüssigen Einheit verbinden. Unmögliche Liebe, Aufstand gegen die Konvention und Festhalten an der Tradition, die verbindende Macht des Katholizismus, der die dem Untergang geweihten Marchmains schließlich – in dramaturgischer Hinsicht viel zu überraschend – ein letztes Mal vereint: Bei Jarrold ist das Ganze kaum mehr als die Summe all dieser Teile; er bleibt zu dicht an der Vorlage, behandelt die großen Gefühle eher, als sie zu evozieren. So stellt sich am Ende wohl oder übel die Frage nach der Relevanz und Notwendigkeit dieses Wiedersehens mit Brideshead.

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