Kritik zu Werner Nekes – Das Leben zwischen den Bildern

© Mindjazz Pictures

2017
Original-Titel: 
Werner Nekes – Das Leben zwischen den Bildern
Filmstart in Deutschland: 
09.11.2017
L: 
90 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Ulrike Pfeiffers Hommage an den Avantgardekünstler und Sehmaschinen-Sammler Werner Nekes ist unverhofft ein Nachruf geworden

Bewertung: 2
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Vor fünfzig Jahren schuf das Experimentalfilmerpaar Werner Nekes und Dore O. ein mainstreamresistentes Augenöffner-Kino. Seither wird über der Fixierung auf Fassbinder, Wenders und Herzog vergessen, dass die beiden aus Mülheim an der Ruhr nach Hamburg Ausgewanderten den neuen deutschen Film an die moderne Kunst und das internationale Experimentalfilmkino anschlossen. Der aktuelle Filmbetrieb scheint kaum über den kulturkritischen Kern ihrer visuellen Gestaltungsprinzipien nachzudenken, obwohl die Explosion optischer Sinnestäuschungen im digitalen (Musik-)Film ohne Ausbeutung der Vorbilder nicht möglich wäre.

Ulrike Pfeiffers Film tut sich schwer mit einer Reflexion von Nekes' Lebensleistung, die über die Darstellung seines verspielten »Nerdism« und seiner Obsession für die Archäologie der optischen Erfindungen hinausginge. Man sieht den Mann mit dem ewig gleichen Sakko, wie er geschwächt aber gelassen an der Zigarette ziehend inmitten eines Kabinetts voller technischer Wunderdinge sitzt. Einen sinnlichen Eindruck vom schieren Umfang seiner 40 000 Sammelobjekte bekommt man nicht.

Es dominiert ein Altherrenclub: Bernd Upnmoor, Klaus Wyborny, Helmut Herbst kommentieren die einstige Hamburger Szene. Helge Schneider, den Nekes in seinem Schlagerfilm »Johnnie Flash« 1986 entdeckte, murmelt nettes Blabla. Alexander Kluge berauscht sich autosuggestiv, im Schuss/Gegenschuss fast länger im Bild als Werner Nekes. Dessen Meister/Schüler-Verhältnis zu Christoph Schlingensief wird angetippt, ohne den Vergleich ihrer Ästhetiken zu wagen. Der einzige jüngere Gesprächspartner, Filmkritiker Daniel Kothenschulte, liefert nur werkimmanente Stichworte.

Filmclips blenden in Nekes' farbenfrohe, die Sehkonvention unterlaufende Bilderwelt zurück, ohne zeithistorische, »lichterarische« (Nekes' Begriff) und kunsthistorische Referenzen zu versuchen, nimmt man Bazon Brocks narzisstische »Denkerei« aus. Viel Stoff und noch mehr schwarze Löcher: Warum bleibt Dore O. ausgespart? Warum bleibt der weibliche Anteil in Ulrike Pfeiffers Zeitreise in die experimentelle Kunst und ihr Kino ausgeblendet?

Meinung zum Thema

Kommentare

Liebe Claudia Lenssen, auch wenn Sie mich vom "Altherrenclub" ausnehmen, was mir natürlich schmeichelt, frage ich mich, was wie man wohl in ähnlichem Kontext die Bezeichnung "Altfrauenclub" aufnehmen würde, ich glaube, man fände sie sexistisch, vielleicht auch altersdiskriminierend. Ulrike Pfeiffer hat soviel ich weiß sehr bedauert, dass Dore O. nicht in diesem Film sein wollte, ganz abwesend ist sie ja nicht. Doch dass es keine weibliche Perspektive darin gibt, kann man doch beim besten Willen nicht sagen. Immerhin hat ihn Ulrike Pfeiffer gemacht.

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