Kritik zu On Swift Horses
In seinem Kinodebüt verfolgt Serienregisseur Daniel Minahan die feinen Schwingungen einer Emanzipationsgeschichte im Amerika der 50er Jahre, die sich in Form von kleinen Fluchten vollzieht
In Serien wie »Hollywood«, dem »Einer flog über das Kuckucksnest«-Sequel »Ratched« oder der Biopic-Serie über den Modeschöpfer »Halston« hat sich Daniel Minahan durch verschiedene Epochen von den Vierzigern bis zu den Siebzigern gefilmt, immer mit sehr stimmungsvollem Retro-Flair in Ausstattung, Kostüm, Lichtgebung und Musik. Mit »On Swift Horses« legt er jetzt sein Spielfilmdebüt vor und taucht dieses Mal mit Petticoats und Haartollen ins ländliche Amerika der Fünfzigerjahre ein.
Muriel (Daisy Edgar-Jones) und Lee (Will Poulter) leben glücklich und verliebt als junges Ehepaar im Haus ihrer Mutter im ländlichen Kansas. Obwohl er schon mehrfach um ihre Hand angehalten hat, zögert sie mit ihrer Zusage. Zusätzlich befeuert werden ihre Zweifel durch die Ankunft von Lees aus dem Koreakrieg heimkehrenden Bruder Julius (Jacob Elordi, der hier in gewisser Weise an seine Elvis-Interpretation im Biopic »Priscilla« anknüpft). Allein durch seine rastlose Existenz, durch die Art, wie er sich mit nacktem Oberkörper auf der Motorhaube seines Plymouth-Coupés sonnt, wie er von Las Vegas spricht und das Glück herausfordert, weckt er in Muriel schlummernde Wünsche und Sehnsüchte, die wie eine sanfte Brise über die Gesichtszüge von Daisy Edgar-Jones (»Der Gesang der Flußkrebse«, »Normal People«, »Twisters«) huschen. Hier ein verhaltener Blick, dort ein verhuscht nachdenkliches Lächeln, mit seiner flirrend getriebenen Existenz erschüttert Julius die Grundordnung der Fünfzigerjahre und mit ihr die heteronormativen Werte eines gesicherten Lebens am festen Wohnsitz, in einer soliden Ehe, im Verbund der Familie, dem Zusammenhalt der Kirche.
Das Drehbuch von Bryce Kass basiert auf dem gleichnamigen Roman von Shannon Pufahl, den diese 2019 basierend auf der Lebensgeschichte ihrer Großmutter geschrieben hat. Es ist eine Emanzipationsgeschichte, die sich nicht offensiv rebellisch, sondern eher schleichend und unterschwellig entwickelt, mit kleinen Fluchten aus der Enge der Fünfzigerjahre, in der der Bewegungsspielraum von Frauen durch ihre Männer definiert wird. Im Haushalt des Paares ist das Geld knapp, jeder Cent wird gespart, für eine neue Existenz. Lee ist kein despotischer Ehemann, er bemüht sich um Verständnis, setzt eher auf beharrliches Drängen als auf brachiales Durchgreifen, beispielsweise wenn es darum geht, dass das Haus ihrer Mutter, an dem sie hängt, verkauft werden soll, um den Umzug in eine neue Location zu finanzieren.
Auch Muriel geht nicht auf Konfrontationskurs, sondern erschleicht sich neue Erfahrungen und Möglichkeiten eher, bei heimlichen Ausflügen zu den »flinken Pferden« auf der Rennstrecke, wo sie mit Insidertipps, die sie als Kellnerin ihren Gästen ablauscht, ein Vermögen ansammelt, das ein Freiheitsversprechen ist, aber auch zu einem lesbischen Abenteuer mit einer Nachbarin führt, das Erinnerungen an Todd Haynes' »Carol« weckt, eine andere homoerotische Liebe, die den restriktiven 50er Jahren in gestohlenen Momenten des Glücks abgetrotzt ist, ohne genauso elegant orchestriert zu sein.
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