Kritik zu Song from the Forest

© Real Fiction

2014
Original-Titel: 
Song from the Forest
Filmstart in Deutschland: 
11.09.2014
L: 
98 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Michael Oberts kommentarloser Dokumentarfilm erzählt von einem US-Amerikaner, der seit 25 Jahren mit den Pygmäen lebt, von der großen Reise seines 13-jährigen Sohns und von einem Volk, das gegen den eigenen Untergang kämpft

Bewertung: 4
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Blätterhütten im Schatten großer Urwaldbäume. Lichtergeglitzer im Großstadtdschungel New Yorks. Und Töne, wie sie die meisten wohl noch nie gehört haben. Die Reise dieses Films führt direkt aus dem nebel- und mythendurchwehten zen­tralafrikanischen Regenwald in die Zentrale der westlichen Zivilisation. Und sie hat als Helden ein Vater-Sohn-Duo, dessen älterer Teil vor einem Vierteljahrhundert einmal den umgekehrten Weg gegangen ist.

Damals hatte der junge New Yorker Musikwissenschaftler Louis Sarno im Radio erstmals die eigenartigen polyphonen Gesänge der Bayaka gehört. Und die hatten ihn so fasziniert, dass er sich mit seinem letzten Geld ein Flugticket in die Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik kaufte und in den Urwald zu dem Pygmäenvolk reiste. Dort blieb er, bis auf kurze Stippvisiten in der alten Heimat, und sammelte weitere Schätze ihrer Musik. Nach und nach wurde er selbst zu einem Teil der Jäger und Sammler. Und er zeugte einen Sohn, dem er in ganz jungen Jahren angesichts einer schweren Krankheit versprach, ihm, wenn er überlebte, eines Tages die väterliche Welt jenseits des Regenwaldes zu zeigen.

Nun ist es so weit, der nach seinem Geburtstag Samedi genannte Junge ist dreizehn Jahre alt und macht sich bereit, mit dem Vater nach New York zu reisen, wo neben Großstadt und Warenwelt auch Freunde und Familie von Louis auf ihn warten. Der Sohn ist alt genug, um mit der fremden neuen Welt auch sich selbst neu zu entdecken; er übernimmt bewusst aber auch Verantwortung für sein vom Verschwinden bedrohtes Volk. So begehrt der Junge bald gegen den Vater auf, weil der ihn beim Shoppen angeblich mit Kinderkram abspeise, statt ihn mit den für einen Mann des Waldes wichtigen und nützlichen Dingen – etwa Waffen und Rucksäcken – auszustatten.

Ein gewisser Publikumserfolg dürfte bei der Thematik des Films vorprogrammiert sein. Zum Glück hat diese Aussicht die Produzenten nicht dazu verführt, die Reise von Louis und Samedi ethno-touristisch aufzumotzen und den Regenwald als idyllisches Paradies zu inszenieren. So wird im Film des deutschen Reporters und Journalisten Michael Obert bei aller Faszination für sein Sujet auch Unschönes nicht ausgeklammert. Dass die Bayaka etwa dem Weißen in ihrer Mitte immer noch misstrauen und verheimlichte Reichtümer unterstellen. Oder dass Samedis Mutter und Louis’ Exfrau (ja, auch im Regenwald gibt es das) selbst auch gerne in die neue Welt gereist wäre, doch die Möglichkeit dazu bisher nicht bekam.

Doch das wiegt wenig gegen die akute Bedrohung des pygmäischen Lebensraums durch Raubbau, Krieg und Abholzung. Die betrifft auch ihre eng mit dem Lebensraum Wald verbundene Musik, die wohl bald nur noch in Louis’ Aufzeichnungen überlebt haben wird. Den Soundtrack des Films teilt sie sich kontrapunktisch mit einer Messe des Renaissancekomponisten William Byrd. Als Bonus gibt es einige Auftritte von Jim Jarmusch, der Sarnos bester Freund aus seinem alten Ostküstenleben ist.

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