Kritik zu Silent Heart – Mein Leben gehört mir

© Movienet

2014
Original-Titel: 
Stille hjerte
Filmstart in Deutschland: 
24.03.2016
L: 
98 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Familienfest der traurigen Art: Bille Augusts Drama präsentiert das Thema Sterbehilfe seriös, aber nicht frei von Klischees

Bewertung: 3
Leserbewertung
3
3 (Stimmen: 2)

Ein Haus, eine Familie, ein Wochenende: Das Setting von Bille Augusts neuem Film ist ebenso konzentriert wie reduziert. Eine Handvoll Schauplätze, acht Personen und jede Menge theatralischer Szenen – wüsste man es nicht besser, man müsste glauben, das Drehbuch von Christian Torpe basiere auf einem Bühnenstück. Dabei geht es, wie so oft im Kino in jüngerer Zeit, um die große, unbequeme Frage nach dem »richtigen« Sterben: um Selbstbestimmung und Verantwortung, um Würde und Egoismus, um Alter und Abschied.

Ein Film in Moll also, dabei stets seriös, ernsthaft, pietätvoll. Esther (Ghita Nørby), unheilbar am Nervenleiden ALS erkrankt, plant schon seit Monaten, unterstützt von ihrem Mann Poul (Morten Grunwald), einem pensionierten Arzt, ihren Selbstmord. Sie will aus dem Leben scheiden, bevor die Krankheit sie vollends handlungsunfähig macht. An diesem Wochenende soll es geschehen, aber vorher möchte Esther noch einmal mit ihren Töchtern, der übergenauen Heidi (Paprika Steen) und der zur Depression neigenden Sanne (Danica Curcic), deren Partnern, ihrem Enkel und ihrer alten Freundin Lisbeth (Vigga Bro) Weihnachten feiern – auch wenn es dafür in kalendarischer Hinsicht noch viel zu früh ist.

August lässt den Film mit dem sukzessiven Eintreffen der Gäste beginnen und zeigt dabei zuallererst die schier endlose Weite, die den schmucken Klinkerbau in der dänischen Provinz umgibt: ein karger, einsamer Ort am Ende der Welt. Nichts stört hier die familiäre Interaktion, die sich bald als Melange aus alten Konflikten und beklommener Selbstdisziplin entfaltet. Die Schwestern sind hin und her gerissen zwischen dem Bestreben, der Mutter ihren letzten Wunsch zu erfüllen, und dem Versuch, das Unabwendbare doch noch abzuwenden. Esther, unübersehbar eingeschränkt von der Sklerose, bemüht sich tapfer um Normalität. Und dazwischen gibt es viele stille, unaufgeregte Momente, Begegnungen der Generationen, mal erfrischend, mal ernüchternd.

Immer wieder rückt die Kamera Uhren ins Bild, die unerbittlich ans Verstreichen der Zeit erinnern. Das ist, wie fast alles in ­»Silent Heart«, irgendwie schlüssig, aber nicht sonderlich subtil. Der Film hat etwas sehr Kalkuliertes, Durchkomponiertes; zugleich sind die Figuren seltsam flach, und das Geschehen bleibt erstaunlich unemotional. Das gilt sogar, wenn die Gruppe zu später Stunde einen Joint kreisen lässt; das bringt zwar ein wenig comic relief, aber keinerlei dramaturgische Entwicklung.

August zielt nicht auf die hysterische Überhöhung, die amerikanische Familienfilme solcher Art für gewöhnlich an den Tag legen, aber auch nicht auf die kühle psychologische Demaskierung, die ein Ingmar Bergman vermutlich angestrebt hätte. Er begnügt sich mit einer mittleren Tonlage, taucht seine Bilder in gedecktes Sepia und verlässt sich auf die ausgezeichnete Leistung seines Ensembles. Den zwar unerwarteten, aber leider auch unglaubwürdigen finalen Twist hätte er sich getrost sparen können.

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